09.06.2022, Leben in Walldorf
Während der Bauarbeiten im Astorhaus
Die ehemalige Synagoge in der Albert-Fritz-Straße.
Foto: Stadt Walldorf
Ehemalige Synagoge wird Trauort für Eheschließungen
In der öffentlichen Sitzung am 31. Mai beschloss der Gemeinderat einstimmig, dass die ehemalige Synagoge in der Albert-Fritz-Straße 7 als Trauort für Eheschließungen gewidmet wird. Die Widmung ist für die Dauer der Sanierungsarbeiten im Astorhaus zeitlich begrenzt. Voraussichtlich wird das ab Oktober 2022 für die Dauer von rund drei Monaten der Fall sein. Das Trauzimmer im Astorhaus wird in diesem Zeitraum in die ehemalige Synagoge „umziehen“. Das bedeutet, dass historischen Möbel aus dem Astorhaus in die ehemalige Synagoge gebracht werden, weitere Ausstattung soll dieses Mobiliar dann ergänzen, um dem Raum die angemessene Atmosphäre für Trauungen zu verleihen.
Was dem einem oder anderen in diesem Kontext vielleicht nicht bewusst ist: Die ehemalige Synagoge hat eine bewegende Historie zu erzählen. Erbaut wurde sie 1716 von der Evangelischen Reformierten Kirchengemeinde. Die jüdische Gemeinde erwarb das Gebäude im Jahr 1861 und nutzte es fortan als Synagoge. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, in welcher organisierte Schlägertrupps im gesamten Deutschen Reich jüdische Geschäfte, Gotteshäuser und andere Einrichtungen in Brand setzten, wurden zahlreiche Jüdinnen und Juden misshandelt, verhaftet oder getötet. Auch die Synagoge in Walldorf blieb von dieser Nacht nicht verschont. Der Innenraum wurde von Anhängern des NS-Regimes verwüstet. Das Gebäude blieb zwar erhalten, verwahrloste im Laufe der folgenden Jahre aber zusehends. Nach Ende des 2. Weltkriegs erwarb die neuapostolische Gemeinde das nun renovierte Gebäude und nutzte es von 1954 bis 2018 als Kirche. Während dieser Zeit wurde die ehemalige Synagoge 2002 abermals renoviert. In diesem Zuge wurde eine Nachbildung des früheren Portalsteins angebracht, mit Inschriften auf Deutsch und Hebräisch. Der originale Portalstein ist übrigens noch heute im Museum im Astorhaus zu sehen. Inzwischen ist das Gebäude im Besitz der Stadt Walldorf und dient als Kultur- und Veranstaltungsraum. Eine Gedenktafel, die auf die deportierten jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner Walldorfs erinnert und auf die Geschichte des Gebäudes hinweist, wurde in diesem Jahr an der ehemaligen Synagoge angebracht.