29.01.2025, Startseite

Hohe energetische Standards bleiben das Ziel

Mit Passivhaus-Standard, Holzbauweise und begrünten Dächern wird zurzeit die Erweiterung
der Waldschule umgesetzt. Zukünftig müssen städtische Gebäude aber nicht zwingend als Passivhaus gebaut werden, beschloss nun der Gemeinderat.
Foto: Stadt Walldorf

Städtische Neubauten müssen nicht mehr zwingend als Passivhaus umgesetzt werden

Mehrheitlich hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung die sogenannte Passivhaus-Richtlinie modifiziert. Dabei geht es um die Energiestandards bei städtischen Neubau- und Sanierungsvorhaben sowie um die Richtlinien zur Vergabe von städtischen Wohnbaugrundstücken in Neubaugebieten. Hintergrund war ein Antrag der CDU-Fraktion, einen Beschluss aus dem Jahr 2010, nach dem die Stadt ihre eigenen Bauvorhaben als Passivhaus umzusetzen hat, „zeitgemäß“ anzupassen. Die Ziele der Energieeffizienz und -einsparung können laut dem Antrag dank der technischen Entwicklung der vergangenen Jahre „bei mindestens gleichem Wohnkomfort auch anderweitig erreicht werden“. Stadtbaumeister Andreas Tisch war es wichtig zu betonen, dass auch künftig ein „Gleichklang“ zwischen städtischen und privaten Bauvorhaben bestehen soll: Deshalb wird die Richtlinie zur Vergabe von Grundstücken ebenfalls angepasst, die Käufer in Neubaugebieten zum Bau eines Passivhauses verpflichtet hatte.

Beispiele für Alternativen listet die sehr ausführliche Verwaltungsvorlage (die über das Ratsinfosystem auf der Homepage der Stadt eingesehen werden kann) auf: das Effizienzhaus 40, das Klimafreundliche Wohngebäude mit Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) und das Plusenergiehaus. Sie alle bieten demnach ebenso wie das Passivhaus erhebliche Vorteile in Bezug auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit und unterschreiten die gesetzlichen Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes deutlich. Die Vorlage weist aber auch darauf hin, dass sich die einzelnen Standards in ihren spezifischen Anforderungen, ihren Bezugsgrößen, ihren Kosten und auch im Grad der Energieunabhängigkeit voneinander unterschieden. Stadtrat Christian Schick (SPD) wählte dafür in seiner sehr leidenschaftlichen Stellungnahme, für die es aus dem Publikum spontanen Beifall gab, das Bild des Vergleichs „von Äpfeln und Birnen“.

Beschlossen wurde, dass auch in Zukunft bei städtischen Neubauten und Sanierungsmaßnahmen ein möglichst hoher energetischer Standard anzustreben ist, der die gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf den Energiebedarf deutlich unterschreitet. Außerdem, dass bei städtischen Neubauten der Basisstandard der Passivhaus-Standard, ein Plusenergiegebäude oder bei Wohngebäuden ein Klimafreundliches Wohngebäude mit Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude sein soll beziehungsweise alternativ auch das Effizienzhaus KfW 40 umsetzbar ist, wenn Maßnahmen zur Gewinnung von regenerativer Energie aus Photovoltaik-Anlagen über die baurechtliche Pflicht hinaus technisch und wirtschaftlich vertretbar einbezogen werden. Diese beiden Beschlüsse fielen bei je drei Gegenstimmen von Nele Böhm, Maximilian Himberger und Moritz Winnes (Bündnis 90/Die Grünen) sowie einer Enthaltung von Mihriban Gönenç (Zusammen für Walldorf).

„Für Sanierungen von städtischen Gebäuden und Wohngebäuden soll ein möglichst hoher Energiestandard erreicht werden, der mit angemessenen Mitteln erreicht werden kann. Die gesetzlichen Vorgaben sind, soweit technisch und wirtschaftlich vertretbar, hierbei zu unterschreiten. Es sind entsprechende Maßnahmen zur Gewinnung von regenerativer Energie aus Photovoltaik-Anlagen einzubeziehen“, lautet der dritte Beschluss mit demselben Abstimmungsergebnis. Ein abweichender Antrag der Grünen, die Formulierung des letzten Satzes von „sind einzubeziehen“ in „müssen einbezogen werden“ zu ändern, wurde bei drei Ja-Stimmen der Grünen sowie Enthaltungen von Paula Glogowski (FDP) und Mihriban Gönenç abgelehnt. Keine Mehrheit fand auch der Grünen-Antrag für die Richtlinien zur Vergabe von städtischen Wohnbaugrundstücken, der analog zu den Kriterien für städtische Neubauten mehrheitlich beschlossen wurde. Die Grünen hatten sich den Zusatz „wenn der zu erwartende Energieverbrauch sich auf gleicher Ebene wie ein Passivhaus bewegt“ gewünscht, was bei drei Ja-Stimmen und einer Enthaltung abgelehnt wurde. Zu beachten ist, dass in den bestehenden Neubaugebieten die bisherigen Regelungen für Verkäufe städtischer Grundstücke erhalten bleiben.

Dass für Entscheidungen zum Energiestandard bei städtischen Hochbauprojekten den gemeinderätlichen Gremien künftig eine Reihe von Informationen zur Abwägung aufgezeigt werden und die Entscheidung im Einzelfall erfolgt, wurde bei einer Enthaltung von Mihriban Gönenç beschlossen. Die Entscheidung, dass über das städtische Umwelt-Förderprogramm für private Neubauten auch weiterhin nur der Energie-Standard Passivhaus gefördert wird, fiel bei zwei Enthaltungen von Dagmar Criegee (FDP) und Mihriban Gönenç.

Mathias Pütz (CDU) sah im Antrag seiner Fraktion keinen „Raubbau an den energetischen Standards“, sondern vielmehr das Wissen „um die Notwendigkeit erhöhter Sanierungsquoten, effizienterer Neu- und Umbauten wie auch um wirtschaftliche Zwänge bei Bauprojekten“. Konkret sprach er Vorhaben wie Feuerwehrhaus und Pflegeheim an. Das Passivhaus habe weiter die „höchste energetische Qualität“, dennoch hingen Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit „untrennbar zusammen“, plädierte er für die Wahl zwischen den aufgezeigten Alternativen. So geschehe die Modifizierung der Richtlinie „der Umwelt, dem Klima und dem gesunden Menschenverstand zuliebe“, so Pütz.

„Was ist gut, was ist schlecht?“, fragte Christian Schick rhetorisch. Selbst Besitzer eines Passivhauses bescheinigte er diesem den „unbestritten geringsten Energiebedarf beim Heizen“. Dennoch sei es beim Blick auf die Alternativen schwierig, Kosten, Aufwände und Verbräuche zu vergleichen. „Der Teufel steckt im Detail“, sagte Schick und schilderte anschaulich seine Freude über die Energiekostenabrechnung einerseits, den Ärger über ein sich im Sommer aufheizendes Passivhaus auf der anderen Seite. Mit Beispielen über die positiven Seiten eines Effizienzhauses forderte er, „nicht einfach stumpf und dogmatisch irgendwelche Zahlen nebeneinander zu stellen“, und kam zum Schluss: Natürlich müsse man gleichwertige Alternativen zulassen.

Die FDP unterstütze die Ziele, die hinter den Passivhaus-Vorgaben stehen, „nämlich die Förderung von Energieeffizienz und Nachhaltigkeit“, sagte Dr. Günter Willinger. Er sprach aber auch die „oft unüberwindbaren Herausforderungen“ in Bezug auf die finanzielle Machbarkeit und praktische Umsetzung an. Das erschwere die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum. Deshalb seien die neuen Richtlinien, die auch alternative Bauweisen zulassen, „sinnvoll“ und erleichterten unter anderem den sozialen Wohnungsbau „objektbezogen und ohne Vorgaben, die die Kosten unnötig in die Höhe treiben“.

Abweichend von der Ratsmehrheit plädierte Moritz Winnes für Bündnis 90/Die Grünen für eine Beibehaltung der Passivhaus-Richtlinie. Darin sah er „Klimaschutz und weniger Energieverbrauch“, in anderen Lösungen unter anderem einen deutlichen Mehrbedarf an Heizenergie. Das sei „nicht offen und stringent für einen konsequenten Klimaschutz“. Winnes lobte zwar die Verwaltungsvorlage, die viele Wege aufzeige. Er kritisierte aber in den neuen Richtlinien Formulierungen wie „technisch und wirtschaftlich vertretbar“. „Wer entscheidet das?“, fehlte es ihm an Eindeutigkeit.