21.12.2022, Startseite
„Wir bringen Walldorf voran“
Bürgermeister Matthias Renschler (re.) blickt im großen Interview zum Jahresende auf 2022 zurück und erläutert, was im kommenden Jahr an Aufgaben ansteht.
Foto: Stadt Walldorf
Interview zum Jahresende mit Bürgermeister Matthias Renschler
Das Jahr 2022 geht zu Ende und in Walldorf ist wieder viel passiert. Zeit, mit Bürgermeister Matthias Renschler im Interview auf ein spannendes Jahr zurückblicken, die wichtigsten Themen noch einmal zu beleuchten und einen kleinen Ausblick auf Kommendes zu wagen.
Herr Renschler, was war denn aus Ihrer Sicht das Walldorfer Highlight im Jahr 2022?
Matthias Renschler: Mein Highlight war die Photovoltaik-Offensive, die ich ja schon in meiner Haushaltsrede im Oktober 2021 angekündigt habe. Schön, dass die Förderung so gut angenommen wird. Nach den Wohngebäuden werden zum 1. Januar 2023 auch Anlagen auf Nicht-Wohngebäuden unterstützt. Weiteres Highlight ist das Pflegezentrum. Ich freue mich, dass wir schon so weit sind und dass Stadtbaumeister Tisch und sein Fachbereich hier richtig Gas gegeben haben. Es ist für Walldorf sehr wichtig, dass dieses neue Pflegezentrum kommt.
Sie haben die Photovoltaik-Offensive angesprochen. Fast zwei Millionen Euro an Fördermitteln wurden bereits beantragt.
Renschler: Deshalb haben wir jetzt drei Millionen für 2023 in den Haushalt einstellen lassen. Wenn wir dann noch nachsteuern müssen, steuern wir nach. Das Programm wird enorm gut angenommen und es ist auch wichtig vor dem Hintergrund der Energiekrise. Es löst zwar das aktuelle Problem nicht, aber für die Zukunft ist es ein wichtiger Baustein.
Die Energiekrise, das ist die Kehrseite der Medaille, sorgt ja leider erst für den Boom erneuerbarer Energien. Wie sehr schlagen die Themen Energiesparen und Energiekosten zur Stadt Walldorf durch?
Renschler: Bei den Kosten für Energie – Strom, Gas, auch Wasser – gehen wir von einer Verdreifachung aus. Das ist schon eine Hausnummer, auch für die Stadt. Und ich kann natürlich verstehen, dass es unter den Bürgern Unmut über die Strompreise der Stadtwerke gibt, die ab 1. Januar gelten. Aber: In der Vergangenheit war die Beschaffungsstrategie richtig und ein Mehrwert für die Walldorferinnen und Walldorfer, mit dem Krieg in der Ukraine konnte niemand rechnen. Jetzt ist die Strategie leider nicht aufgegangen. Wir sind aber nicht die Einzigen, die das trifft.
Und was können die Bürger tun?
Renschler: Die Bürger können Energie sparen, wo immer es geht. Die Gas- und Strompreisbremsen sind ja aktuell beschlossen worden, betreffen aber nur 80 Prozent des Verbrauchs. Und Energie zu sparen, ist ja auch unabhängig von dieser Krise sinnvoll. Um den unnötigen Verbrauch zu senken, kann man mit ganz kleinen, ganz einfachen Dingen anfangen. Wir müssen die Krise gemeinsam lösen, auch wenn es manchmal wehtut. Die Stadt hat die Temperaturen in ihren Gebäuden gesenkt, im Schwimmbad sind die Wassertemperaturen abgesenkt – da haben wir jetzt allerdings nach den ersten Erfahrungen nachgesteuert, weil es doch zu kalt war. In den Sporthallen ist das warme Duschen nicht mehr möglich, weil es einen unheimlich hohen Energieverbrauch bedeutet, hier die Grundlast zur Verfügung zu stellen. Das ist alles nicht schön. Aber es ist leider notwendig.
Ein neues Angebot wurde in der Kurpfalzstraße geschaffen: Walldorfs erste Fahrradstraße. Für Sie als passionierten Radfahrer der richtige Ansatz, alternative Mobilitätsformen zu fördern?
Renschler: Ja. Die Fahrradstraße ist ein ganz wichtiges Signal für eine modernere Form der Mobilität. Sie wird auch sehr gut angenommen. Natürlich gibt es auch da Nachsteuerungsbedarf. Deshalb habe ich veranlasst, dass an der Ecke Rennbahnstraße/Kurpfalzstraße größere Schilder angebracht werden. Es gibt Durchfahrtsprobleme in der Alten Friedhofsstraße – da kann man den wichtigen Nahversorger, den Hofladen Mayer, nicht abhängen. Deshalb dürfen jetzt alle Kraftfahrzeuge bis zur Hans-Thoma-Straße fahren und müssen erst dort dann abbiegen. Das haben wir erkannt und nachgesteuert. Aber das ganze Radverkehrskonzept in Walldorf muss nach und nach verfeinert werden. Wir wollen damit den Fahrradverkehr attraktiver gestalten.
Ungewollt und unverschuldet hat Walldorf weit über seine Grenzen hinaus Schlagzeilen gemacht. Was sagen Sie aus heutiger Sicht zur Allgemeinverfügung zur Haubenlerche, die das Landratsamt im Mai erlassen hat?
Renschler: Ich halte sie nach wie vor für nicht verhältnismäßig. Das ist eine ganz unglückliche Situation. Natürlich darf der Artenschutz nicht gegen den Tierschutz ausgespielt werden. Auf der anderen Seite ist klar: Wir wollen dieses Baugebiet, der Artenschutz ist zu beachten. Für diese Verfügung kann die Stadt aber nichts, das ist eine Angelegenheit des Landes Baden-Württemberg. Deshalb sollte man sich an seine Landtagsabgeordneten wenden. Von den beiden für uns zuständigen Abgeordneten habe ich in dieser Sache leider nichts gehört. Wir versuchen, das Problem zu lösen, und hatten schon viele Gespräche mit dem Regierungspräsidium. Ich kann auch die Leute verstehen, die teuer bauen und dann sind die Grünflächen mit Zäunen versperrt und Menschen mit Ferngläsern laufen durchs Gebiet – das ist keine angenehme Wohnatmosphäre. Leider sitzen die Entscheider nicht in Walldorf.
Und was raten Sie den Bürgern, vor allem den Katzenhaltern in Walldorf-Süd, die sich spätestens am 1. April wieder nach der Allgemeinverfügung zu richten haben?
Renschler: Sie sollen auf jeden Fall das Tracking-Angebot wahrnehmen. Nach Möglichkeit sollten sie auch ihre Gärten so gestalten, dass die Katze zumindest in den Garten darf und nicht im Haus bleiben muss. Ich glaube, dann entspannt das auch die Situation, wenn die Katze zumindest im Garten umherlaufen kann.
Was der Artenschutz mit hohem finanziellen Einsatz bewirken kann, zeigt sich an anderen Stellen auf der Walldorfer Gemarkung: In den Wäldern, auf den Dünen auf dem Saupferchbuckel oder im Totholzgarten tummeln sich seltene Tier- und Pflanzenarten. Also gut angelegtes Geld?
Renschler: Sehr gut angelegtes Geld. Aufgrund des Klimawandels brauchen wir diese Unterstützung für den Artenschutz, für die Insekten, aber auch ganz besonders für den Wald, in den wir gemeinsam mit ForstBW ebenfalls sehr viel Geld investieren. Die Wälder sind wichtige Naherholungsrefugien. Wir haben einen hervorragenden Forst, es gibt eine tolle Zusammenarbeit mit Forstbezirksleiter Philipp Schweigler und Revierförster Gunter Glasbrenner, der ja leider nächstes Jahr in den Ruhestand geht. Ich hoffe, dass sein Nachfolger diese Linie fortführt.
Weniger erfreulich: Fast 96 Millionen Euro musste die Stadt an Gewerbesteuer-Vorauszahlungen zurückbezahlen. Das hat zwar die aktuellen Haushalte noch nicht in Schieflage gebracht, aber muss man sich trotzdem Sorgen machen?
Renschler: Sorgen muss man sich aus meiner Sicht nicht machen. Es wird ein geringeres Gewerbesteuer-Aufkommen da sein und wir werden schon an der einen oder anderen Stelle überlegen müssen, ob wir etwas wirklich brauchen oder es durchführen müssen. Wir müssen noch behutsamer mit dem Geld umgehen, man muss sich auch nicht jeden Luxus gönnen. Ich bin mir aber sicher, dass keine besonderen Einschränkungen kommen werden.
Für 2023 sind dennoch große Investitionen geplant: Im Fokus stehen unter anderem die Schulen und die Kinderbetreuungseinrichtungen.
Renschler: Bereits beschlossen ist die Erweiterung der Waldschule um einen Pavillon und die Mensa, das ist wichtig und notwendig. Damit steigern wir die Attraktivität der Waldschule, die dreizügig wird, dementsprechend muss auch der Raum geschaffen werden. Auf dem Gelände befindet sich ja auch die uns wichtige Sambugaschule. Für beide Schulen, ihre Schülerinnen und Schüler müssen wir ein angenehmes Lernumfeld schaffen.
Und auch in Sachen gefördertem Wohnbau will die Stadt wieder einiges tun.
Renschler: Da tut sich sehr viel. In der Heidelberger-/Hebelstraße beginnt die Errichtung, im Schlossweg ist die Unterkunft vor allem für Obdachlose geplant, in der Wieslocher Straße gehen die beiden Gebäude in die konkrete Ausführungsplanung. Es wird sich also in den nächsten Jahren sehr viel verändern in Walldorf. Ich hoffe, dass wir diese Baumaßnahmen zügig umsetzen können. Das hängt ja nicht nur von uns ab, sondern auch von den Bauunternehmen und Handwerkern.
Sie haben in Ihrer Haushaltsrede außerdem eine Stadtbuslinie ins Gespräch gebracht, die vor allem den Norden der Stadt versorgen soll. Was hat es damit auf sich?
Renschler: Der Norden der Stadt, insbesondere der Bereich Hubstraße, Talstraße, Fischgrund, Am Teich, ist abgehängt vom ÖPNV. Durch die Heidelberger Straße fährt noch ein Bus, biegt dann am Waldschwimmbad ab und das war es dann. Wir haben viele Seniorinnen und Senioren in diesem Bereich, auch junge Familien, die gerne den ÖPNV nutzen würden, dafür aber viel zu weit laufen müssten. Die Idee, eine Stadtbuslinie aufzubauen, ist schon 2021 entstanden, bisher war leider zu wenig Kapazität für diese Planung. Jetzt habe ich das in der Haushaltsrede angekündigt, denn es ist ein Muss. Es soll eine Linie sein, die insbesondere den Norden bedient, ich kann mir auch den Sambugaweg vorstellen, die Drehscheibe, man könnte das Gewerbegebiet bei Ikea mit anbinden. Wenn der Gemeinderat dem zustimmt, was die Grundlage ist, würden wir ein Büro beauftragen. Ich glaube, dass sich das kostenlose Busfahren in Walldorf durch das 49-Euro-Ticket erledigt. Dann können wir das frei werdende Geld in eine eigene Stadtbuslinie investieren.
Nach den Einschränkungen der Corona-Pandemie waren 2022 endlich wieder viele Feste und Veranstaltungen möglich. Wie sehr hat das den Menschen gefehlt, wie sehr hat es jetzt gut getan?
Renschler: Wenn ich gesehen habe, wie viel auf dem Spargelmarkt los war und wie viel auf der Kerwe trotz des bescheideneren Wetters, wenn ich den Zuspruch auf allen Veranstaltungen nehme, auf denen ich gewesen bin – das hat den Leuten arg gefehlt. Ich bin froh, dass diese Einschränkungen vorbei sind, damit unser gesamtgesellschaftliches Leben wieder eine Normalität hat und keine weiteren Fehlentwicklungen stattfinden. Es ist schlimm, wenn man die Folgen dieser zwei Jahre Corona sieht, gerade bei Kindern und Jugendlichen. Ich hoffe, dass man diese Folgen einfangen kann. Gerade im Bereich der Jugendkriminalität gibt es Entwicklungen, die alles andere als schön sind.
Für Sie war es das erste volle Jahr als Bürgermeister. Haben Sie alles erreicht, was Sie sich vorgenommen haben?
Renschler: Ja. Was ich mir seit Beginn der Amtszeit vorgenommen habe, da habe ich alles erreicht, was ich hoch priorisiert habe. Es ist natürlich vieles im Fluss, noch gibt es kein fertiggestelltes Pflegezentrum oder Feuerwehrhaus, aber wir sind auf dem Weg. Und ich freue mich, dass der Gemeinderat mitgezogen und mich unterstützt hat. Es gibt eine gute, fraktionsübergreifende Zusammenarbeit, um Walldorf voranzubringen. Nur darum geht es doch. Es geht nicht darum, dass ich mich oder irgendjemand sich selbst verwirklicht, sondern darum zu sagen: Wir bringen Walldorf voran. Von daher bin ich sehr zufrieden mit der bisherigen Arbeit. Und von dem, was ich zurückgespiegelt bekomme, lief es ja auch nicht schlecht.
War 2022 dann ein gutes Jahr?
Renschler: Aus Sicht der Stadt Walldorf war es unterm Strich doch ein gutes Jahr.
Und was erhoffen Sie sich von 2023?
Renschler: Dass es so weitergeht. Dass wir gemeinsam mit Kernverwaltung und Gemeinderat kluge und gute Entscheidungen zum Wohle Walldorfs treffen. Und ganz wichtig: Wir müssen das, was wir begonnen haben, jetzt konsequent vollenden und dann können wir wieder neue Ideen entwickeln.
Herr Renschler, vielen Dank für das Gespräch.