23.09.2022, Umwelt- und Klimaschutz
Wie Digitalisierung beim Klimaschutz helfen kann
Der Walldorfer Bürgermeister Matthias Renschler (li.), Schweickert-Geschäftsführer Kai Schmidt-Eisenlohr (2.v.li.), Landrat Stefan Dallinger (6.v.li.) und weitere Redner und Gäste der Veranstaltung „Klimaschutz durch Digitalisierung – aber wie?“, die jetzt in Walldorf stattgefunden hat.
Foto: Helmut Pfeifer
Kooperationsveranstaltung des Rhein-Neckar-Kreises und der Städte Mannheim und Heidelberg
„Klimaschutz und Digitalisierung sind auch in Walldorf zwei Komponenten, die eine unheimlich große Rolle spielen“, sagte Bürgermeister Matthias Renschler in seinem Grußwort zu einer Kooperationsveranstaltung des Rhein-Neckar-Kreises sowie der Städte Mannheim und Heidelberg. Diese fand unter dem Titel „Klimaschutz durch Digitalisierung – aber wie?“ mit spannenden Vorträgen rund um den Themenkomplex „Smart Building“ in den Räumen der Firma Schweickert in Walldorf statt. „Das Smart Home ist die Zukunft“, sagte der Bürgermeister. Mit Blick auf das jüngste Starkregenereignis, das Ende August in Walldorf große Schäden angerichtet hatte, betonte Renschler die Wichtigkeit, dem Klimawandel aktiv zu begegnen. So hat der Gemeinderat im März die Klimaschutzoffensive der Stadt Walldorf beschlossen.
„Wir alle können unseren Beitrag leisten“, meinte Landrat Stefan Dallinger, der die Grüße der Oberbürgermeister Peter Kurz (Mannheim) und Eckart Würzner (Heidelberg) überbrachte und die gute Zusammenarbeit in der Region betonte. Themen wie Klimaschutz durch Digitalisierung funktionierten „im Großen“, zum Beispiel durch Gebäude wie den Ende September 2021 eingeweihten neuen Unternehmenssitz der Firma Schweickert, aber auch im Kleinen, „ob als Politiker oder Privatperson“ – mit einem Augenzwinkern berichtete der Landrat über die gerade neu gelieferten Steuerungselemente für seine „smarte“ Heizung zuhause.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz seien Themen, die „uns sehr am Herzen liegen“, betonte Schweickert-Geschäftsführer Kai Schmidt-Eisenlohr in seiner Begrüßung der Gäste. Das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren durch verschiedene Maßnahmen „circa 40 Prozent unseres CO2-Abdrucks eingespart“. Das sei nicht immer einfach. Aber auch auf Baustellen, auf denen noch viel mit Papier gearbeitet werde, versuche man, die Digitalisierung voranzutreiben. Zur Nachhaltigkeit gehöre aber auch die soziale Komponente: So sei der neue Firmensitz gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickelt worden. „Wir wollen, dass sie sich hier wohlfühlen und gerne hier sind“, sagte Schmidt-Eisenlohr.
In seiner „Keynote“ nannte Prof. Dr. Christian Berg, Honorarprofessor an der TU Clausthal und der Universität des Saarlands, früher lange für SAP tätig, Digitalisierung und Klimaschutz die beiden „Schlüsselthemen für künftiges Wirtschaften“. Sie zusammen zu denken, sei „schwierig, aber spannend“. Denn die Informationstechnik (IT) selbst verursache einen großen ökologischen Fußabdruck. Berg unterlegte das mit drei Szenarien für den Anteil der IT am globalen Stromverbrauch bis 2030: Sie liegen zwischen acht Prozent im besten Fall und 50 Prozent „im worst case“. Deshalb müsse man genau abwägen, was wo sinnvoll eingesetzt wird: „Eine flächendeckende 5G-Versorgung ist aus meiner Sicht wirklich problematisch“, sagte der Redner. Anderseits sieht er in praktisch allen Unternehmensbereichen „Ansatzpunkte zur Emissionsreduktion durch IT“. Beispiele lieferte er zuhauf: Die Umweltbilanz eines Produkts entscheide sich bereits in der Designphase, erklärte Berg. Er plädierte für Ressourcenschutz „durch Echtzeitüberwachungen in der Produktion“. Und mit der richtigen Technik könne man „Transparenz über Umweltschäden entlang der Lieferkette“ erhalten. Erneuerbare statt fossiler Energie, Autos, die 95 Prozent des Tages nicht und sonst meist nur von einer Person genutzt werden – „alles ist neu zu denken“, forderte Berg und sprach von einer „riesen Challenge“ – einer großen Herausforderung, die nach seinen Erklärungen umso größer wird, wenn man darüber nachdenkt, dass das erste iPhone vor 15 Jahren auf den Markt gekommen ist, dagegen aber schon seit mehr als 40 Jahren über den Klimawandel geredet wird. „So lange darüber zu reden und so wenig getan zu haben“, zeige die menschliche Trägheit, so Berg.
„Best-Practice-Beispiele“ sollten veranschaulichen, dass es auch anders geht. Peter Speicher stellte für die gastgebende Firma Schweickert „Smarte Prozesse in smarten Gebäuden für mehr Klimaschutz“ vor und berichtete von „vielen Möglichkeiten, Energie und Ressourcen einzusparen“. Thomas Schild vom Beratungsunternehmen Drees & Sommer (Mannheim) sprach über „Weg vom Gas und welchen Beitrag die Digitalisierung in Immobilien dazu leisten kann“. Die drei Schritte dahin: den Energiebedarf reduzieren, eine zielgerichtete Infrastruktur aufbauen und eine vorausschauende Betriebssteuerung realisieren. Thomas Bender (pit-cup GmbH, Heidelberg) nahm sich der „Digitalisierung als Treiber für einen nachhaltigen Immobilienbetrieb“ an. Dafür braucht es nach seinen Worten vor allem valide Daten, ihre Analyse und die richtige Verknüpfung. Dann, so Bender, seien „der Kreativität keine Grenzen gesetzt“, schlummere darin „ein Riesenpotenzial“. Wissenschaftlich unterfütterte Prof. Dr. Jörg Mandel (Fraunhofer-Institut, Stuttgart) die Vorträge: einerseits mit der Vision einer „Ultraeffizienzfabrik“, die mit so wenig Material und Energie wie nötig effizient produziert; zum anderen mit dem bereits reellen Projekt des „Eco Hub“, einer zentralen Datenerfassung für umweltrelevante Themen, die Zeit und Ressourcen sparen soll.
Die spannende wie provokante Frage in der abschließenden Podiumsdiskussion: Ist der Mensch das Problem? „Wie wir Freiheit und Gemeinwohl verbinden, ist die entscheidende Frage“, stimmte Christian Berg zu, der mehr „globales Bewusstsein für dringliches Handeln“ forderte. Man müsse „Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen“, dass Individualität und Klimaschutz einander nicht widersprechen, sagte dagegen Thomas Schild.