26.06.2023, Startseite
Unterwegs zum richtigen Beruf
In der "Nacht der Ausbildung" gibt es die Möglichkeit, sich direkt in den Betrieben ein Bild von der Arbeit zu machen.
Foto: Helmut Pfeifer
34 Betriebe und Organisationen informierten bei der „Nacht der Ausbildung“
Es geht gut los: Als das Rathaus am Freitag kurz vor 17 Uhr seine Türen öffnet, haben sich die ersten Interessenten für die „Nacht der Ausbildung“ schon eingefunden und finden auch rasch den Weg zu den Ständen und Ansprechpartnern. Neben Handwerkskammer sowie Industrie- und Handelskammer informieren hier auch Astor-Stift und die Stadt Walldorf selbst über ihre Ausbildungsberufe. „Man bekommt Einblick in viele Bereiche“, sagt der Auszubildende Marius Ebert über seine abwechslungsreiche Tätigkeit im Rathaus. „Der Kontakt zwischen den Azubis wird gefördert“, ergänzt Mariella Morreale. Und Karina Will und Eva Werner heben neben der Sicherheit, die die Stadt als Arbeitgeber bietet, auch die dank der Gleitzeitregelung relativ flexiblen Arbeitszeiten und zahlreiche interne Veranstaltungen, „um das Team zu stärken“, hervor. „Der Pflegeberuf gewinnt an Bedeutung und Attraktivität“, wirbt Thorsten Antritter für das Astor-Stift.
Der erste der SWEG-Busse, die im 15-Minuten-Takt durch Walldorf zu den einzelnen Betrieben fahren, ist beim Zustieg in der Ringstraße in Richtung AQWA Bäder- und Saunapark schon mit einem guten Dutzend Mitfahrer besetzt. Sie sei nur „minimal freiwillig“ unterwegs, berichtet Johanna (15) mit einem Schmunzeln, die in Begleitung ihrer Mutter auf den Bus gewartet hat. Beide sind aber gut gelaunt und wollen sich im Industriegebiet über Möglichkeiten auf dem Gebiet der Fachinformatik kundig machen. Auch der 15-jährige Sean erzählt, seine Mutter habe ihm empfohlen, doch mal zu „schauen, wo es mir gefällt“. Das sei „eine gute Idee“, meint er und staunt dann im Hallenbad über die Technik. „Laut und groß“ seien die Maschinen, die den Badebetrieb möglich machen. Das Kino, SBK, Handwerkskammer und Ikea hat Sean noch auf seiner Liste stehen und freut sich über den Ice-Slush, den er vor dem AQWA spendiert bekommt. Auch beim Fototermin mit dem Bürgermeister ist der 15-Jährige dabei. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist eine Veranstaltung wie die Nacht der Ausbildung wichtiger denn je“, sagt Matthias Renschler. Er hoffe, so der Bürgermeister, dass viele der Jugendlichen aus Walldorf und der Region an diesem Abend den für sie passenden Ausbildungsberuf oder das richtige Duale Studium finden. Gemeinsam mit Susanne Nisius und Sandra Seitz von der Stabsstelle Wirtschaftsförderung der Stadt ist Renschler an diesem Abend auf Tour, um selbst bei vielen Unternehmen vorbeizuschauen.
Das Besondere an der „Nacht der Ausbildung“ ist, dass man neben Gesprächen mit Auszubildenden – quasi auf Augenhöhe – und Ausbildern direkt vor Ort einen Eindruck von seinem künftigen Beruf erhält. Die Vorstellung der über 90 Ausbildungs- und Studiengänge geschieht in den einzelnen Betrieben auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Im Luxor-Filmpalast gibt es eine Führung hinter die Kulissen, LAMTEC zeigt eindrucksvoll einen Zündbrenner in Aktion und bei den Heidelberger Druckmaschinen kann man den Azubis bei der Arbeit über die Schulter schauen oder selbst ein kleines Werkstück herstellen. Bei Schweickert locken Musik und Snacks, bei SKF Lubrication Systems bringt der große Truck des Berufsverbands den Besuchern die Metall- und Elektroberufe näher.
Später am Abend sind die Reaktionen der 34 teilnehmenden Betriebe und Organisationen ganz unterschiedlich. „Es ist einiges los, viel mehr als letztes Jahr“, berichtet Doina Stegemann am Stand der MLP, die wieder vor dem Internationalen Schulungszentrum der SAP zu Gast sein darf. „Wir haben einige interessante Gespräche geführt.“ Es seien auch erstaunlich viele Eltern mit ihren Kindern unterwegs. Ihre Kollegin Simone Bechtel hat beobachtet, dass viele „nicht wissen, was sie suchen“. Hier wirke wohl die Zeit der Corona-Pandemie und deshalb auf der Strecke gebliebener Praktika nach. Weniger gut wird der Besuch dagegen in der Walldorfer Innenstadt empfunden: „Es war ruhig, aber qualitativ gut“, meint Ad Hoogenberg im Travel Center Ed & Ad. „Wesentlich weniger als in den Vorjahren“ sei los gewesen, sagt Dietmar Sommer in der Stadt-Apotheke. Aber: „Diejenigen, die da waren, hatten echtes Interesse. Und wir haben tatsächlich eine Praktikantin gefunden, dafür hat es sich dann schon gelohnt.“ Auch in der Sparkasse, die mit ihrem Cocktail-Stand punktet, hätte Bettina Lundschien „gerne mehr Besucher gehabt“. Positiv: Die Azubis schwärmen in Eigeninitiative aus und rekrutieren potenzielle Interessierte auf der Straße.
„Einige waren wirklich interessiert“, berichtet bei Ikea Lea Trillen, selbst Auszubildende im zweiten Lehrjahr, über die Gespräche, die sie geführt hat. Das Unternehmen habe dieses Jahr sogar noch freie Ausbildungsplätze, sagt sie und rührt die Werbetrommel: „Hier wird nicht so auf die Noten geschaut, der Mensch ist wichtig.“ Und man komme „superleicht ins Ausland“ oder in eine der anderen Filialen in Deutschland.
Bei SAP mischt sich Vorstandsmitglied Sabine Bendiek unter die jugendlichen Besucher und schaut Finnegan (14) beim Selbstversuch mit der Virtual-Reality-Brille zu. „Cool“, sagt er später über das ungewohnte Erlebnis. „Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus?“, fragt man sich laut Anja Rosker im Software-Unternehmen angesichts der rasanten Veränderungen in der Arbeitswelt. Auf die Antwort müsse man als SAP vorbereitet sein und dafür „müssen wir die jungen Leute mit ins Boot nehmen“. Die virtuelle Realität sei eine der Möglichkeiten. „In fünf oder zehn Jahren finden Meetings vielleicht global in der virtuellen Welt statt“, sagt sie. Im Gebäude informieren auch die Duale Hochschule Baden-Württemberg und die Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen über ihre Angebote, mit nextx hat ein Start-up aus der InnoWerft einen kleinen Stand, um seine App fürs Finden des passenden Berufs vorzustellen, und es gibt zahlreiche Workshops. Wer sich für IT-Sicherheit interessiert, darf ein Rätsel nach dem Vorbild eines „Escape Rooms“ knacken. Und: Die Grillstation findet regen Zuspruch.