03.12.2024, Startseite

Unterhaltsame Empfehlungen für lange Leseabende

Armin Rößler, Barbara Grabl und Gerhard König-Kurowski (v.li.) stellten in der Stadtbücherei zahlreiche Neuerscheinungen vor.
Foto: Stadt Walldorf

„Entdeckungen – live“ in der Stadtbücherei

Eine alte Tradition zurückkehren lassen haben Barbara Grabl (Leiterin der Stadtbücherei), Gerhard König-Kurowski (der in der Stadtbücherei die Shared-Reading-Veranstaltungen organisiert) und Armin Rößler (Leiter der städtischen Öffentlichkeitsarbeit), die ihre persönlichen Buchtipps des Jahres in der Stadtbücherei präsentieren. Eine ähnlich gelagerte Veranstaltung hatte es bereits in früheren Jahren regelmäßig gegeben, als zunächst der SWR-Redakteur Alfred Marquart und später Oliver Buhl und Wolfgang Schwarz literarische Neuerscheinungen vorstellten. Eine Anregung aus der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt habe man Anfang des Jahres aufgegriffen und das beliebte Veranstaltungsformat nun wieder aufleben lassen, informiert Barbara Grabl in ihrer Begrüßung der Gäste, die im Laufe der rund zwei Stunden von den drei Protagonisten auf unterhaltsame und vergnügliche Weise Lust auf zahlreiche Neuerscheinungen vermittelt bekommen.

Den Anfang macht Armin Rößler mit einem Roman von Sarah Brooks mit dem Titel „Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland“. Die Autorin lasse eine Atmosphäre entstehen, die an die erste Verfilmung von „Mord im Orient-Express“ erinnere. Die Handlung in einem Zug mit seinem beschränkten Raum spreche „mich als Science-Fiction-Fan an“, so Rößler, der angesichts des gefährlichen Ödlands, das der Zug durchquert, Assoziationen zu Raumschiffen im Weltall ausmacht. Die Sprache sei sehr „angenehm, gelassen und stilsicher“. Die Autorin beweise ein „feines Händchen für Setting und Personen“, findet Rößler, der das Buch als Lektüre beschreibt, „die mich von Anfang bis Ende gefesselt hat“.  Mit „Parts Per Million. Gewalt ist eine Option“ stellt er ein Buch von Theresa Hannig vor, das offiziell im Genre Climate-Fiction eingeordnet wird. „Ich nenne es einen Klima-Thriller“, so Rößler schmunzelnd. Der Leser folge der Autorin Johanna Stromann als Hauptfigur, die ein Buch über Klima-Aktivisten schreiben möchte und von der Beobachterin zur Sympathisantin, Mitwirkenden und schließlich treibenden Kraft wird. „Eine spannende Entwicklung“, sagt Rößler dazu, „wenn auch nicht immer ganz glaubwürdig“. Es sei dennoch ein interessantes Buch, das er gern gelesen habe. Eine Empfehlung spricht er auch für die Graphic Novel „Fahrenheit 451“ aus, die Victor Santos nach dem berühmten gleichnamigen Roman von Ray Bradbury (1953 erschienen) geschaffen hat. Santos halte sich ganz eng an das Original, insgesamt sei das Buch sehr gut gemacht. Viele der Bilder in der Graphic Novel sprechen für sich, so Rößler, der Stil sei sehr minimalistisch und trotzdem dynamisch, manchmal auch düster. Um einen Eindruck davon zu vermitteln, zeigt er dem Publikum einige Seiten und schließt mit dem Fazit: „Wirklich klasse gemacht.“

Gerhard König-Kurowski empfiehlt Jessica Linds „Kleine Monster“, einen Roman über eine Familie, die sich mit einem Vorfall an der Schule des Kindes auseinandersetzen muss, in den ihr Sohn involviert sein soll. Der Junge schweigt zu dem Vorfall und die Mutter kann damit im Gegensatz zum Vater nicht umgehen. Eine zweite Erzählebene beschreibt in Rückblenden, wie die Mutter aufwächst, und geht auf ein Unheil ein, das in ihrer Kindheit passiert, aber nie thematisiert worden ist. „Unheimlich geschickt geschrieben, unheimlich spannend“, urteilt König-Kurowski. Den Roman „Seinetwegen“ von Zora del Buono empfiehlt er als ein „spannendes, interessantes und anrührendes Buch“. Darin geht es um die Autorin selbst und die Leerstelle, die ihr bei einem Unfall verstorbener Vater in ihrem Leben hinterlassen hat. Nachdem die Mutter an Demenz erkrankt ist, „klärt sie den Umgang mit der Abwesenheit des Vaters“, so König-Kurowski, der auch eine kurze Stelle aus dem Buch zitiert. Die Autorin baue „interessante Passagen“ ein, zum Beispiel Unfallstatistiken, die dann eher an ein Sachbuch erinnerten. Als „politisches und düsteres Buch“ bezeichnet er Paul Lynchs „Das Lied des Propheten“, das 2023 den renommierten Booker Preis gewann. Die Handlung spielt in Irland, das sich auf dem Weg in eine Diktatur befindet. Ein junger Mann schließt sich den Rebellen an und seine Familie ist dabei, zu zerbrechen. Die Geschichte wird aus Sicht der Mutter geschildert. „Das Besondere daran sind der Blickwinkel und die Sprache“, findet Gerhard König-Kurowski, der den Roman als „atemlos, intensiv und beklemmend“ beschreibt. „Sehr zu empfehlen.“

Von der „Unmöglichkeit der Liebe“ handelt der Roman von Francesca Reece, den Barbara Grabl vorstellt. Die Geschichte spielt in Wales und erzählt von einer Jugendliebe zwischen Olwen und Gethin, die Jahrzehnte später wieder aufflammt. „Wunderbar zu lesen“, schwärmt Barbara Grabl, es stelle sich schnell das Gefühl ein, dass die beiden füreinander geschaffen sind. „Eine wunderschöne Geschichte, ich fand es sehr beeindruckend“. Begeistert zeigt sich die Leiterin der Bücherei auch von „Crazy Rich“ von Julia Friedrichs, das „die geheime Welt der Superreichen“ aufzeigt. Sie sei seit langer Zeit ein „großer Fan der Autorin“, bekennt Grabl. Friedrichs habe schon einige Bücher mit dieser Thematik geschrieben. Sie zeichne aus, dass sie sich mit den Menschen persönlich treffe, über die sie schreibt. Dazu gehört „Sebastian“, ein Pseudonym für einen jungen Mann, der in dem Sachbuch eine größere Rolle spielt, da er Mitglied einer sehr reichen Familie ist. Er sei unglücklich mit seiner Situation, so Grabl, er könne kein normales Leben führen. „Ich fand das sehr eindrücklich“. Die Autorin betreibe nicht etwa „Reichen-Bashing“, sondern teile ihre Faszination für die Welt der Superreichen mit dem Leser. „Spannend fand ich, dass Geld anscheinend nicht immer glücklich macht“, so Grabl. Ihr drittes Buch, „Berührung“ von Olaf Olafsson, habe einen originellen Aufbau und spielt über einen Zeitraum von rund 50 Jahren. Sie habe die Filmadaption im Kino („Touch“, 2024) gesehen und sei so auf das Buch gekommen. Darin begibt sich Kristófer mitten in der Pandemie von seiner Heimat Island aus auf eine Reise um die halbe Welt zu seiner lang verschollenen großen Liebe Miko Nakamura aus Japan. Im Laufe der Geschichte spielen die Ereignisse des Atombombenabwurfs auf Hiroshima eine Rolle. „Das Buch sei „unglaublich schön geschrieben, es hat mich sehr berührt“, gibt Barbara Grabl eine klare Leseempfehlung.

Davon soll es nach einer kurzen Pause, in der sich die Besucher an einem Verkaufsstand von Bücher Dörner schon direkt mit ihren bisherigen Favoriten eindecken können, noch einige mehr geben. Gerhard König-Kurowski empfiehlt „Der ehrliche Finder“ von Lize Spit, ein Buch, das eine „unglaubliche Spannung“ erzeuge und viel Spaß beim Lesen mache. Wer auf Kriminalgeschichten steht, sei bei Davide Longos „Am Samstag wird abgerechnet“ genau richtig. Ein Buch mit „bizarren Personen“, daher eine Empfehlung für alle, „die Spaß an groteskem Humor haben“. Einen Roman mit Sachbuchelementen hat die finnische Autorin Iida Turpeinen mit „Das Wesen des Lebens“ veröffentlicht. Es geht unter anderem um eine Seekuh und Menschen, die mit dem Tier zu tun haben. Es werde viel über Flora und Fauna geschrieben, es gebe auch eine interessante Nebenhandlung. Eine kuriose Geschichte gegen Ende des Buches liest Gerhard König-Kurowski vor und löst Schmunzeln im Publikum aus. „Ein wunderbares Buch“, so sein Fazit. „Wie die Welt weiterging“ erzählt Monika Helfer in 365 Geschichten, die sie aus ihren Beobachtungen aus dem Alltag gewonnen habe. Die Autorin könne „auf gerade mal eineinhalb Seiten ein ganzes Leben beschreiben“, sagt König-Kurowski begeistert, es seien Geschichten, die einen anstoßen und anregen. Das Buch sei für ihn „eine Schatztruhe“.

Anna Katharina Hahns „Der Chor“ spielt in Stuttgart und beschreibt einen Frauenchor, der einen Querschnitt durch die Gesellschaft darstelle, wie Barbara Grabl bemerkt. Die Geschichte wird aus Sicht von Alice erzählt und beschreibt die Beziehungen zwischen ihr und den anderen Chormitgliedern, schildert, welche Dynamiken ein neues Chormitglied freisetzt. Die Autorin schaffe es, „mit einer ganz leichten Sprache ganz viel zu transportieren“, so Grabl, „es beschäftigt auch noch lange nach dem Lesen“. „Torten der Wahrheit“ entwirft die Autorin Katja Berlin für die Wochenzeitung „Zeit“. Katja Berlin beschäftigt sich darin mit Politik, aktuellen Geschehnissen und dem Thema Geschlechtergerechtigkeit. Und das mache sie „auf unglaublich humorvolle Weise“, findet Barbara Grabl, die dem Publikum einige Beispiele aus dem Buch präsentiert. Das sorgt für Heiterkeit und schafft eine gute Überleitung für „Mitte des Lebens“, in dem Barbara Bleisch im Älterwerden ab vierzig plus eine Chance sieht. „Man kann sich den schönen Dingen widmen“, fasst Grabl die Botschaft des Buchs zusammen. „Mich hat es unglaublich beschäftigt, die Autorin bringt viele schöne Ansätze.“ Als Buch für die ganze Familie empfiehlt sie schließlich Jasmin Schreibers „Naturarium“, in dem die Biologin und Wissenschaftsjournalistin einen Naturführer für das ganze Jahr bietet. Die Artikel seien sehr gut lesbar „mit vielen schönen Ideen und Tipps“ sowie vielen Illustrationen. „Eine ganz tolle Fundgrube, die man immer wieder zur Hand nehmen kann“, empfiehlt Grabl.

„Ich lese Asterix“, bekennt Armin Rößler zu Beginn seines zweiten Blocks. Die Betonung liege auf Lesen, denn oft seien es die Sprüche, die bei ihm hängen bleiben, ohne die Zeichnungen damit abzuwerten, wie Rößler betont. Anlass seines „Bekenntnisses“ ist die Neuerscheinung des Comics „Asterix als Palatinator“ – eine Mundart-Version von „Asterix als Gladiator“, für deren Texte Comedian Christian „Chako“ Habekost verantwortlich zeichnet. Er habe alle Asterix-Comics gelesen, bisher aber noch keinen in Mundart, so Rößler, dabei gibt es derer schon 103. „Eine echte Herausforderung“, schildert Rößler seine Premierenerfahrung mit dem Mundart-Asterix, schließlich sei es zwar ein Leichtes, Mundart zu sprechen, aber Dialekt zu lesen, sei „echte Arbeit“. Trotzdem: „Es lohnt sich, weil es riesigen Spaß macht“, spricht Rößler eine Leseempfehlung aus, der auch einige Stellen aus dem Comic vorliest. „Ich fürchte, Ihr habt Drachen“ heißt es in Peter S. Beagles neustem Werk, dem Autor des Fantasyromans „Das letzte Einhorn“. Immerhin ist Beagle inzwischen stolze 85 Jahre alt. Aber „er hat sich seinen Stil bewahrt“, sagt Rößler anerkennend, „immer noch lesenswert und unterhaltsam“. Beagle erzähle die Geschichte mit viel Humor, „man sollte nicht alles zu ernst nehmen“. Der Roman über Drachenjäger Robert sei „sehr schön zu lesen“, so Rößler, der eine passende Passage zitiert.

„Ich habe großen Spaß gehabt“, sagt er über Maud Woolfs Buch „Die 13 Tode der Lulabelle Rock“, in dem es um Klone und einige Morde geht. Das Besondere sei die Umsetzung. Die sei richtig gut, gibt sich Rößler beeindruckt von Maud Woolfs Debütroman. Geschildet wird die Geschichte aus Sicht des 13. Klons einer Schauspielerin. Und das sei „sehr spannend zu lesen“. Rößlers letzte Empfehlung ist „Die Abschaffung des Todes“ von Andreas Eschbach. Der Autor habe sich bis heute Science-Fiction-Elemente aus seiner Anfangszeit bewahrt. In seinem neusten Werk wollen drei hochkarätige Unternehmer den Tod abschaffen. „Ein sehr spannender Roman“, findet Rößler, gibt aber zu, dass er oft ein Problem mit dem Ende von Eschbachs Geschichten habe. Dieses Mal sagt er: „Ich schwanke hier noch“ – und das sei nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen.
Die Gäste spenden am Ende reichlich Applaus als Dank für die zahlreichen Buchempfehlungen, die Barbara Grabl, Armin Rößler und Gerhard König-Kurowski ihnen auf unterhaltsame Weise an die Hand gegeben und vor allem viel Freude am Lesen vermittelt haben.