12.06.2024, Startseite
Stadt deckt das Minus aus der Reserve
Wohl dem, der ein Sparschwein hat: Die fehlenden Einnahmen aus Gewerbesteuervorauszahlungen kann die Stadt aus ihrer Liquiditätsreserve decken.
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70 Millionen weniger Einnahmen machen Nachtragshaushalt notwendig
Der Gemeinderat hat in seiner jüngsten Sitzung den ersten Nachtragshaushalt 2024 einstimmig verabschiedet. Notwendig wird dieser, weil, so Bürgermeister Matthias Renschler, „die Gewerbesteuervorauszahlungen nicht so üppig“ wie gewohnt ausfallen. In der Sitzungsvorlage heißt es, mit Bescheid vom 26. April habe das Finanzamt „einen Großteil der Walldorfer Gewerbesteuervorauszahlungen auf null gesetzt“ – Hintergrund ist das Restrukturierungsprogramm eines großen Gewerbesteuerzahlers. Darüber war vorab bereits im Finanzausschuss informiert worden. Statt mit einem Plus schließt der Haushaltsplan jetzt mit einem Minus ab, das die Stadt aus ihren Reserven decken muss und kann. „Wir haben unsere Mittel im Blick, auch was die Zukunft angeht“, sendete Kämmerer Boris Maier eine beruhigende Nachricht. Alle Freiwilligkeitsleistungen werden wie gewohnt fortgeführt, alle Aufgaben erfüllt, die großen Vorhaben – die bereits begonnene Erweiterung und Sanierung der Waldschule sowie die Planungen für den Neubau von Pflegeheim und Feuerwehrhaus – weiter vorangetrieben.
Der Kämmerer nannte die konkreten Zahlen: Ursprünglich habe er fürs laufende Jahr Gewerbesteuereinnahmen von 160 Millionen Euro veranschlagt, jetzt gehe er von rund 70 Millionen weniger an Einnahmen aus. Das werde ein wenig dadurch abgemildert, dass sich die geringeren Einnahmen auch direkt auf die Gewerbesteuerumlage auswirken. Die sinke um 9,25 auf rund zwölf Millionen Euro. Damit reduziert sich unter dem Strich das Ergebnis um 60 Millionen Euro. „Das ist allein dem Rückgang der Gewerbesteuer geschuldet“, sagte Boris Maier. Ergänzend habe er in den Nachtragshaushalt noch einige Posten eingearbeitet, „die wir bisher nicht im Haushalt hatten“ – unter anderem eine Kapitaleinlage in die Astor-Stiftung in Höhe von 424.000 Euro, um das aus der Reduzierung der Betten entstehende Defizit zu decken.
Im Gesamtergebnishaushalt sinken damit die Erträge von rund 233 auf rund 163 Millionen Euro, die Aufwendungen von rund 180 auf knapp über 170 Millionen Euro. Das Ergebnis verändert sich von plus 53 Millionen zu minus 7,7 Millionen. „Fast deckungsgleich“ finden sich diese Zahlen auch im Gesamtfinanzhaushalt, der im Unterschied zum Ergebnishaushalt nur die tatsächlichen Geldflüsse abbildet, also beispielsweise Abschreibungen außen vor lässt. Hier sinken die Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit von 213 auf 143 Millionen, die Auszahlungen von 166 auf 157 Millionen. Daraus entsteht ein Zahlungsmittelbedarf in Höhe von 14 Millionen Euro, zu dem sich noch der Finanzierungsmittelbedarf aus Investitionstätigkeit in Höhe von 63 Millionen gesellt – das macht insgesamt ein Minus von 77 Millionen Euro, das aus der Liquiditätsreserve der Stadt gedeckt wird. Damit sinkt die voraussichtliche Liquidität zum Jahresende (inklusive für Umlagen und andere Zwecke gebundener Mittel) auf knapp unter 625 Millionen Euro.
Mathias Pütz (CDU) sprach von einer „jahrzehntelangen umsichtigen und konservativen Haushaltspolitik“, die es der Stadt jetzt erlaube, „den laufenden Betrieb ohne Einschränkungen fortzusetzen“ sowie „wesentliche Projekte städtebaulicher Tragweite in Beschlüsse und konkrete Maßnahmen umzusetzen“. Er betonte auch, dass „die finale Abrechnung der Gewerbesteuer am Jahresende“ erfolge und es jetzt lediglich um die Vorauszahlungen gehe.
Für Christian Schick (SPD) handelt es sich um „einen temporären Einbruch“, der „nicht für die Ewigkeit“ sei. Der Restrukturierungsprozess beim größten Gewerbesteuerzahler der Stadt „kostet Geld“, für die Steuer bleibe damit „weniger Geld“. „Wenn trotzdem noch etwas kommt, ist es gut“, meinte Schick. Dass man dennoch weiter alle Aufgaben wie gewohnt erfüllen könne, zeige auch, dass die Stadt in der Vergangenheit „viel richtig gemacht“ habe.
Hans Wölz (Bündnis 90/Die Grünen) blickte auf die Nachbarkommune St. Leon-Rot, in der die Auswirkungen der veränderten Einnahmesituation „wesentlich gravierender“ seien. „Wir kommen mit einem blauen Auge davon“, meinte er, weil rechtzeitig vorgesorgt worden sei. Dennoch, so Wölz, müsse man „der Firma mitteilen“, sie solle „mehr auf die Kommunen vor Ort achten“, schließlich hätten diese alles für optimale Standortbedingungen getan. „Wir wünschen uns Kontakt auf Augenhöhe“, sagte Wölz. Es gebe einen „sehr guten Kontakt“, machte Bürgermeister Matthias Renschler in seiner direkten Antwort deutlich. Die Stadt sei „auf Augenhöhe“ und frühzeitig über die Entwicklung informiert worden. „Wir sind dankbar, dass das Unternehmen weiter in Walldorf Gewerbesteuer zahlen wird“, unterstrich der Bürgermeister – das gelte auch für alle weiteren Gewerbesteuerzahler.
Die Stadt sei stets „gewissenhaft mit ihren Mitteln umgegangen“, stellte Günter Lukey (FDP) fest. Deshalb sei der „erhebliche Fehlbetrag“ im laufenden Jahr „zwar schmerzhaft, aber durch die Rücklagen gedeckt“. Für die FDP sei wichtig, dass trotz der geringeren Einnahmen „keine Freiwilligkeitsleistungen gestrichen“ werden müssten.