01.12.2022, Umwelt- und Klimaschutz
Sorgenkind Wald
Der Forst kämpft mit vielen Herausforderungen – Extreme Nachfrage nach Brennholz
Es ist keine neue Nachricht: Den hiesigen Wäldern geht es schlecht. „Zwei Monate ohne Regen, das ist natürlich extrem“, schilderte Philipp Schweigler, der Leiter des Forstbezirks Kraichgau-Rheintal, in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats das Hauptproblem im diesjährigen Sommer. Zur Dürre hätten sich 33 Hitzetage gesellt, das waren überdurchschnittlich viele, die den „katastrophalen Gesundheitszustand“ von Kiefern und Buchen noch weiter verschlechtert haben. „Der Absterbeprozess schreitet sehr schnell voran“, sagte Schweigler, der gemeinsam mit Revierförster Gunter Glasbrenner die Planung für das Forstwirtschaftsjahr 2023 vorstellte. Sei Baden-Württemberg heute noch von Buchenmischwäldern geprägt, müsse man inzwischen vom „worst case“ unter den Klimawandel-Szenarien ausgehen, das bis zum Jahr 2070 Flaumeichenmischwälder voraussagt: „Krumme Stämme, nur 15 bis 20 Meter hoch“, beschrieb Schweigler den künftigen Wald, der dann „ganz andere Aspekte“ bieten werde. Aus dem Gemeinderat kam breite Zustimmung zur Planung, obwohl diese von einem Defizit in Höhe von rund 170.000 Euro ausgeht.
Auf die „markanten Auswirkungen“ des trockenen Sommers ging auch Gunter Glasbrenner ein. Um das Ökosystem Wald zu erhalten, müsse man Veränderungen zulassen und neue Wege gehen. Im Sinne der Waldbiodiversität wolle man beispielsweise in einzelnen Bereichen einen Teil der abgestorbenen Bäume stehen lassen, da sich im Totholz und in aufgelichteten Bereichen vor allem naturschutzfachlich relevante Arten wohlfühlen. Gemeinsam mit dem Nabu hat der Forst einen fast ausgetrockneten Tümpel wieder so angelegt, dass sich dort der Kammmolch erhalten soll. „Dort gibt es auch den rot-schwarzen Feuersalamander“, machte Glasbrenner auf eine Besonderheit aufmerksam. Weitere ökologische Maßnahmen betreffen das Naturschutzprojekt Maulbeerbuckel, die Erweiterung der Streunutzungsfläche und die Fortsetzung der Waldbeweidung. Glasbrenner freute sich hier über die „ersten Erfolge durch die Naturverjüngung, der große Aufwand hat sich gelohnt“. Der Förster erklärte auch, dass die mehrmalige Bewässerung jüngerer Kulturflächen über Fördermittel bezuschusst wird. „Das kostet uns nichts.“ Ein Dankeschön ging an die Gemeinde Reilingen und ihren Bürgermeister Stefan Weisbrod für die unbürokratische Unterstützung.
Die in diesem Jahr extreme Brennholznachfrage habe „teilweise hysterische Züge“ angenommen, berichtete der Revierförster und sprach von einigen „sehr unangenehmen Momenten“. Mehr als 1200 Festmeter Brennholz sind für Interessierte reserviert. „Wir nehmen keine Bestellungen mehr an, sonst gefährden wir die Nachhaltigkeit in unserem Wald“, sagte Glasbrenner. Unter anderem habe man bereits beschlossen, Palettenholz, das zu einem höheren Preis verkauft werden könnte, als Brennholz zu vergeben. Das ergebe zwar „ein kleines Defizit bei den Einnahmen“, aber die Bürger seien „zufriedengestellt“. Schon im Januar und Februar ist per Harvestereinsatz im Dannhecker Wald die Ernte von 2000 Festmetern dürrer und abgestorbener Bäume vorgesehen, weitere 800 Festmeter Dürrholz sollen in den anderen Distrikten des Stadtwaldes folgen.
Viel Aufwand muss der Forst nach Glasbrenners Worten für die Verkehrssicherung betreiben. „Das kostet viel und bindet uns sehr“, sagte der Förster. Manchmal lassen sich aber auch kreative Lösungen finden: Eine schwierige Situation im Geißheck, die voraussichtlich Kosten von 25.000 bis 30.000 Euro verursacht hätte, wird der Feuerwehr als Fläche für eine Übung zur Verfügung gestellt – so ist beiden gedient. Ohnehin habe sich die Wehr für ihre Einsätze bei den beiden Waldbränden im Sommer „ein großes Lob“ verdient. Das gab es später aus dem Gemeinderat auch für Gunter Glasbrenner selbst – absolvierte der Revierförster, der bald nach 49 Dienstjahren in den Ruhestand geht, doch seine letzte Gemeinderatssitzung.
„Seit Jahren geht es dem Wald schlecht“, stellte Dr. Gerhard Baldes (CDU) fest. Die deshalb notwendigen Maßnahmen „verhageln uns den Wirtschaftsplan gewaltig“. Trotzdem trage seine Fraktion diesen mit. „Der Wald muss zunehmend Torturen durchmachen“, meinte Lorenz Kachler (SPD), deshalb müsse die Stadt „über den Pflichtbereich hinaus investieren“. Daraus resultiere, dass auch „viel Positives in unserem Wald“ passiere. „Die Klimakrise hat den Wald vor unserer Haustür fest im Griff“, sagte Maximilian Himberger (Bündnis 90/Die Grünen). Man müsse alles tun, um ihn zu schützen und zu bewahren. Und was in Walldorf bereits unternommen werde, sei „alles gut, davon wünschen wir uns noch mehr“. Das Waldökosystem bleibe „ein Sorgenkind für die Stadt“, erklärte Günter Lukey (FDP) und sah in der „Steigerung der Biodiversität den Schlüssel für mehr Stabilität“. Der Wald sei für seine Fraktion kein Wirtschaftsfaktor, sondern diene unter anderem der Erholung, dem Naturschutz und dank der Waldpädagogik auch der Bildung. Das Defizit im kommenden Jahr betrage zehn Euro pro Einwohner. „Das sollte uns unser Wald wert sein“, sagte Lukey.