20.11.2024, Kultur & Freizeit
Passivhaus-Pflicht kommt auf den Prüfstand
Sporthalle und Mensa, erbaut als Passivhaus, wurden in der Neuen Sozialen Mitte 2014 in Betrieb genommen.
Foto: Stadt Walldorf
Mehrheit des Gemeinderats befürwortet CDU-Antrag
Es sei „zweifellos richtig“, beim Bau öffentlicher Gebäude „hohe ökologische und gestalterische Standards anzulegen“, sagte Mathias Pütz in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. Aber: „Alle Ambitionen haben Grenzen“, begründete er mit Blick auf Finanzen, Kosten-Nutzen-Rechnung und technischen Aufwand den Antrag seiner CDU-Fraktion. Die wünscht sich darin, dass sich die städtischen Gremien „mit den Vorgaben zur Umsetzung von Passivhäusern und der Passivhaus-Richtlinie zur Vergabe von städtischen Grundstücken“ befassen. Das beschloss der Gemeinderat dann auch bei vier Gegenstimmen der Grünen-Fraktion.
Wie die Verwaltungsvorlage aufzeigt, hat der Gemeinderat im Jahr 2010 entschieden, dass die Stadt ihre eigenen Bauvorhaben grundsätzlich in Passivhausbauweise errichten muss. Seit damals gelten auch die Vergaberichtlinien für Käufer städtischer Baugrundstücke in Walldorf-Süd, die damit ebenfalls zur Errichtung von Passivhäusern verpflichtet sind. „Nach einer solch langen Zeit“ könne „durchaus nachvollzogen werden, diese Entscheidungen zu überprüfen beziehungsweise gegebenenfalls zu modifizieren“, heißt es in der Vorlage. Mit dem jetzigen Beschluss ist allerdings noch keine der beiden Richtlinien geändert: Zunächst einmal werden im Ausschuss für Technik, Umwelt, Planung und Verkehr in einer seiner kommenden Sitzungen die Sachverhalte aufgearbeitet und ergänzende Vorschläge für die Vorgaben diskutiert. Auch will die Verwaltung zeigen, was das in der Praxis für städtische Hochbaumaßnahmen bedeutet. Danach wird sich damit wieder der Gemeinderat befassen und eine Entscheidung treffen.
„Unsere Fraktion stellt infrage, ob die Stadt Walldorf auch in Zukunft noch an der generellen Passivhausbau-Verpflichtung bei eigenen Bauvorhaben festhalten sollte“, sagte Mathias Pütz. Aus Sicht der CDU ermöglichen „neueste Standards am Bau, konstruktiv wie gebäudetechnisch, eine gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Bilanz bei eventuell erhöhtem Wohnwert“. Stellvertretend erwähnte Pütz das Effizienzhaus 40. Zwar stelle man die Vorzüge der Passivhaus-Bauweise nicht in Abrede, wolle aber die städtischen Richtlinien „in einer modernen Art und Weise überarbeitet und angepasst wissen“.
Die SPD stimme einer zeitnahen Diskussion gerne zu, sagte Dr. Andrea Schröder-Ritzrau. Das Passivhaus sei zwar „ein Weg, klimaschonend zu bauen, aber nicht mehr der ausschließliche Königsweg“. In manchen Fällen könnten Plus-Energie-Häuser oder ein Effizienzhaus 40 „sinnvoller sein“ als die „extrem statische Passivhaus-Bauweise“. Aus Sicht ihrer Fraktion müsse man „die beste Variante wählen, um dem Ziel Klimaneutralität näher zu kommen“. Wichtig sei auch das Monitoring, so Andrea Schröder-Ritzrau mit Blick auf den später in der Sitzung behandelten Energiebericht (darüber wird noch gesondert berichtet), um zu sehen, was man mit welcher Maßnahme tatsächlich erreiche.
Dr. Günter Willinger (FDP) dankte der CDU für ihren Antrag, dessen Ziele, die Richtlinien zu modifizieren, um auch andere Bauarten zu ermöglichen, seine Fraktion „voll und ganz“ unterstütze. Als häufige Herausforderungen in der Praxis, die sich mit der Passivhaus-Bauweise ergeben, nannte er „hohe Kosten“ und „komplexe Prozesse“. Es gebe zahlreiche andere Bauweisen, die ebenfalls hohe energetische Standards hätten. Ziel müsse eine „gute Balance zwischen Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit“ sein, so Willinger. Der Stadt würden modifizierte Richtlinien aus seiner Sicht erlauben, „flexibler zu agieren“, um den dringend benötigten Wohnraum schneller und kostengünstiger zu schaffen.
Scharfe Kritik am Antrag kam von Wilfried Weisbrod (Bündnis 90/Die Grünen). Anschließen könne sich seine Fraktion nur, wenn es um Verbesserungen zur Passivhaus-Bauweise gehe. „Eine Abkehr von Zielen, die wir gemeinsam beschlossen haben, können wir nicht mittragen“, sagte er. Vieles im Antrag sei „schlichtweg falsch“. So seien Passivhäuser hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz auch weiter führend. „Von Gleichwertigkeit ist da keine Spur“, sagte Weisbrod und führte die Auswirkungen des Klimawandels von Überschwemmungen bis hin zu Waldbränden vor Augen. Die „Abschwächung unserer Ziele“ sei auch deshalb „der absolut falsche Weg“. Mit Blick auf die Walldorfer Finanzen argumentierte er: „Wenn wir nicht mehr tun als alle anderen Kommunen, warum sollten es dann andere tun?“ Ohnehin seien die Mehrkosten für ein Passivhaus, die er auf drei bis acht Prozent bezifferte, „nicht die Welt“.
Mihriban Gönenç (Zusammen für Walldorf) begrüßte dagegen den Antrag. Zwar unterstütze ihre Wählergemeinschaft grundsätzlich die Ausrichtung auf Passivhausbauweise, dennoch sei es gleichzeitig sinnvoll, sich neuen Entwicklungen nicht zu verschließen. „Nachhaltigkeit und finanzielle Tragbarkeit müssen berücksichtigt werden“, sagte sie.