15.09.2023, Kultur & Freizeit
Mord, Trüffel und Kolonialgeschichte
Autorin Sophie Bonnet präsentierte dem Publikum in der Stadtbücherei nicht nur einen spannenden Kriminalfall, sondern wusste auch einiges über kulinarische Genüsse zu erzählen.
Foto: Stadt Walldorf
Sophie Bonnet stellt ihren neuen Provence-Krimi vor
Wenn die Schriftstellerin Sophie Bonnet von kulinarischen Genüssen erzählt, gerät sie geradezu ins Schwärmen. Bei ihrer Lesung in der Stadtbücherei, in der sie ihren neuesten Provence-Krimi „Provenzalische Täuschung“ vorstellt, dürfen sich die Gäste sogar über eine kleine Trüffelkunde freuen. Denn: Im neunten Roman ihrer Krimireihe schickt sie Ermittler Pierre Durand nicht nur auf Täter-, sondern auch auf Trüffelsuche. Und da eine anständige Autorin ihre Geschichten natürlich gut recherchiere, erzählt Sophie Bonnet ihrem Publikum ganz begeistert, wie sie einmal bei einem Trüffelproduzenten in der Provence Trüffel bestellt habe, um damit zu kochen. Mit 90 Euro für 50 Gramm zwar ein teures Vergnügen, aber sie könne es von der Steuer absetzen: „Ist ja Recherche“, ruft sie ihrem Publikum entgegen, das gleichermaßen von dieser Anekdote amüsiert ist wie die Autorin selbst. Die Beschreibung von Geschmack und vor allem Geruch der Trüffel machen trotz des genannten Preises durchaus Appetit auf mehr.
Sophie Bonnet, die inzwischen auch unter ihrem richtigen Namen Heike Koschyk schreibt, macht bei der Recherche zum Genuss aber nicht in der eigenen Küche Halt: Sie habe auch einen Trüffelhof in der Provence besucht und die Experten bei der Trüffelsuche begleitet – samt Spürhund, der in einem kurzen Einspieler auf der Leinwand zu sehen ist. Schweine würden entgegen landläufiger Meinung kaum noch für die Trüffelsuche eingesetzt, sie fressen die knolligen Pilze nämlich selbst ganz gerne, wie Sophie Bonnet augenzwinkernd informiert.
Ermittler Piere hat dagegen eine Ziege namens Cosima, die ihn auf die begehrten Trüffel stoßen soll. Und Trüffelziegen gibt es wirklich, wie Sophie Bonnet betont. Ein Foto einer Ziege darf an dieser Stelle natürlich nicht fehlen. Den ganzen Auftritt über untermalen viele Bilder die Erzählungen der Autorin, die zu Recherchezwecken regelmäßig in der Provence ist. Die Gäste in der Stadtbücherei erfahren, von welchen Orten und Landschaften, aber auch Personen Bonnet sich hat inspirieren lassen. Sainte-Valérie beispielsweise, der aktuelle Heimatort von Ermittler Pierre sei zwar fiktiv, Inspirationsquellen für den Ort gebe es aber genügend – Gebäude, Straßen, Landschaften und auch Menschen, die Sophie Bennet in der Provence begegnet sind, standen oft Pate für ihren Roman. Aus dem liest sie mehrere Passagen vor, beginnend mit dem Prolog und dem Hinweis: „Wer meine Bücher kennt, weiß, dass ich mit der Person starte, die den Prolog nicht überlebt.“ Diese Erwartungshaltung erfüllt sie dann auch, über den Toten erfährt das Publikum später mehr.
Die launigen Erzählungen über ihre Erlebnisse auf den Reisen in Südfrankreich sorgen zusätzlich für viele heitere Momente und die Fotos, die auf der Leinwand zu sehen sind, lassen richtiges Urlaubsfeeling aufkommen. Sophie Bonnet nimmt sich aber auch Zeit für schwere Kost, die nicht ganz so leicht zu verdauen ist, wie die Rezepte der kulinarisch begeisterten Autorin. In ihrem neuen Roman spricht sie die Kolonialgeschichte Frankreichs an. Konkret geht es um den Umgang mit Algerien, das seit 1881 französisches Staatsgebiet war und erst 1962 seine Unabhängigkeit erlangte. Sophie Bonnet erzählt von den Pieds-noirs, den Algerienfranzosen überwiegend französischer Herkunft, und den Harkis, Algeriern, die die französische Kolonialmacht und vor allem die Armee unterstützten und nach der Unabhängigkeit Algeriens in ihrem Heimatland als Kollaborateure verfolgt wurden. Hunderttausende Pied-noirs und Harkis flohen nach (Süd-)Frankreich, wo sie nicht willkommen waren, wie Sophie Bonnet ausführt. Und von denen sowie deren Nachfahren heute nicht wenige die rechtspopulistische Partei von Marine Le Pen (Rassemblement National) wählten. Ausgerechnet, wie die Autorin kopfschüttelnd hinzufügt, die eine Erklärung darin sieht, dass sich diese Menschen in der Gesellschaft meist als Außenseiter und anscheinend nur von dieser Partei verstanden fühlten. Das habe unter anderem mit fehlender Erinnerungskultur zu tun.
In der Politik des aktuellen Präsidenten Emmanuel Macron erkennt Bonnet aber immerhin erste Fortschritte in die richtige Richtung. Das alles werde auch in ihrem Roman angesprochen, schlägt die Autorin wieder den Bogen zu ihrem aktuellen Buch. Nicht weil sie den Zeigefinger erheben oder belehren wolle: „Ich möchte verschiedene Perspektiven zeigen.“ Wer ihre Bücher kenne, wisse, dass sie sich gerne mit der Kultur und der Gesellschaft Frankreichs auseinandersetze. Und eben mit den kulinarischen Genüssen. So erscheint es folgerichtig, dass der zwar interessante, aber weniger leicht verdauliche Ausflug in Frankreichs Kolonialgeschichte nicht den Schlusspunkt der Lesung setzt, sondern eine Szene mit Ermittler Pierre Durand und seiner angehenden Ehefrau Charlotte in einem Restaurant. In der Passage, die Sophie Bonnet vorliest, geht es wieder ziemlich heiter zu und ein Foto zum Gericht auf der Leinwand macht Appetit auf mehr – sowohl kulinarisch als auch literarisch.