08.10.2024, Startseite
Kurt Kleins Vermächtnis lebt
Bürgermeister Matthias Renschler (4.v.li.) begrüßt in Walldorf Vivian Ullman (3.v.li.) und Jim Klein (6.v.li.), zwei der Kinder Kurt Kleins. Die Vertonung dessen Gedichts "Mozart Requiem" durch Timo Jouko Herrmann (2.v.li.) erlebt später am Tag ihre Uraufführung.
Foto: Stadt Walldorf
Beeindruckende Uraufführung einer Komposition von Timo Jouko Herrmann
„Ich hatte Tränen in den Augen“, sagt Vivian Ullman, nachdem die letzten Töne des Stücks „An Affirmation of Life“ verklungen sind, und spricht von Gefühlen, die ihr „das Herz erwärmen“. Timo Jouko Herrmann hat das beeindruckende Werk nach einem Gedicht ihres Vaters Kurt Klein (1920-2002) komponiert, der einst als Walldorfer jüdischer Herkunft vor den Nazis in die USA geflohen war. Zwei seiner drei Kinder wohnen der Uraufführung in Bad Wimpfen bei: Tochter Vivian Ullman, begleitet von ihrem Ehemann Jim, und ihr Bruder Jim Klein, der seinen Schwiegersohn Sam Lehman mit nach Deutschland gebracht hat.
„Es ist eine schöne, eine wertvolle Freundschaft entstanden“, sagt Bürgermeister Matthias Renschler, als er die Gäste noch vor dem Konzert mittags herzlich in der Astorstadt begrüßt. Der Bürgermeister und der Erste Beigeordnete Otto Steinmann sind später ebenfalls anwesend, als Herrmanns neues Werk in Bad Wimpfens evangelischer Stadtkirche erstmals öffentlich erklingt. Passend zum Titel, der sich ins Deutsche mit „Eine Bejahung des Lebens“ übersetzen lässt, sieht Jim Klein in den gegenseitigen Besuchen der vergangenen Jahre Bekräftigungen und Bestätigungen („affirmations“) der Freundschaft, die sich zwischen seiner Familie und den Vertretern der Stadt Walldorf entwickelt hat. Er zitiert dazu einen jüdischen Trinkspruch: Das hebräische „L’Chaim“ bedeute „auf das Leben“.
Kurt Klein war 1937 die Flucht in die USA gelungen, ein Jahr nach seiner Schwester Irmgard. Sein Bruder Max folgte ein weiteres Jahr später. Ihre Eltern Alice und Ludwig Klein mussten dagegen allen Bemühungen um eine Ausreise zum Trotz in Walldorf bleiben, an sie erinnern heute in der Hauptstraße 15 zwei Stolpersteine. Sie wurden 1940 wie alle anderen badischen Juden nach Gurs deportiert, beide wurden 1942 in Auschwitz ermordet. Kurt Klein kehrte noch im Zweiten Weltkrieg als Soldat der US Army nach Deutschland zurück und lernte hier unter dramatischen Umständen seine spätere Frau Gerda Weissman Klein, die Überlebende eines sogenannten Todesmarsches, kennen. Ihr Buch „Nichts als das nackte Leben“ (1957) zählt in den USA zu den Standardwerken über die Zeit des Nationalsozialismus, 2023 ist eine neue deutsche Übersetzung erschienen. Mit den Kurt-Klein-Tagen erinnerte die Stadt Walldorf 2022 an beider Lebenswege.
„Wir fühlen uns sehr berührt und sehr bewegt, dass Sie das Vermächtnis unserer Familie weiter bewahren“, sagt Vivian Ullman. Kurt Klein sei ein sehr bescheidender Mensch gewesen, ergänzt Jim Ullman, und er wäre sicher überrascht, was in seinem Namen erreicht worden sei. „Sein Vermächtnis ist es wert, entdeckt zu werden“, sagt er. Den Dank und die besten Wünsche der weiteren Familienmitglieder überbringt Jim Klein. „Das Wichtigste ist die Freundschaft“, betont er. Das sei die beste Art für gute Beziehungen auf internationaler Ebene, findet Sam Lehman. Alle vier zeigen sich tief beeindruckt von Timo Herrmanns emotional mitreißender Vertonung des Gedichts „Mozart Requiem“ von Kurt Klein.
Die Uraufführung erfolgt durch das Junge Kammerorchester Stuttgart unter der Leitung von Michael Böttcher, der erst vor Kurzem zum Auftakt der Walldorfer Musiktage noch als Musiker des Ensembles Operino im Rathaus zu Gast gewesen ist. Der gesangliche Hauptpart fällt Andreas Weller (Tenor) zu, außerdem wirken Sabine Schneider (Sopran), Paola Alcocer (Alt) und Matthias Minich (Bass) mit. Ihnen und dem Komponisten gilt der lang anhaltende Applaus des Publikums in der Bad Wimpfener Kirche, ehe sich zusammen mit dem Heinrich-Schütz-Chor Heilbronn die Aufführung des Requiems d-moll, KV 626 von Wolfgang Amadeus Mozart, nach seinem Tod ergänzt von seinem Schüler Franz Xaver Süßmayr, anschließt. Der Titel verrät es: Kurt Kleins Gedicht hat direkt auf Mozarts Requiem Bezug genommen. „Kurt Klein war ein Musikliebhaber ersten Ranges, sein Text hat mich sofort inspiriert“, sagt Timo Jouko Herrmann in seiner kurzen Einleitung. Bereits 2001 hatte er Kurt Kleins Gedicht „Song of the Earth“ vertont. Später kann er Jim Klein und Vivian Ullman je eine Partitur seines Werkes überreichen und ihnen ein weiteres Exemplar für ihre Schwester Leslie Simon, die dieses Mal leider nicht dabei sein kann, mitgeben. Familie Klein dankt dem Komponisten mit einer eigens gefertigten Tafel, die „Bewunderung, Respekt und Anerkennung“ für sein Werk ausdrückt. „Wir haben ein wunderschönes Konzert erlebt“, findet auch Bürgermeister Renschler.