21.10.2024, Startseite
Große Unterschiede, viele Gemeinsamkeiten
Ungewohntes Podium im Walldorfer Ratssaal: (v.li.) Christine Hinsinger, Jean-Francois Midon, Bürgermeister Eric Pensalfini, Béatrice Bauer und Michel Thevenot sind mit dem Gemeinderat der französischen Partnerstadt Saint-Max zu Gast.
Foto: Helmut Pfeifer
Gemeinderat der Partnerstadt Saint-Max tagt im Walldorfer Rathaus
Zu Beginn der Sitzung des Gemeinderats von Saint-Max im Ratssaal des Walldorfer Rathauses gibt es mit der Vorstellung der Räte aus der Partnerstadt auch eine kleine französische Landeskunde für die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer: Die Opposition, so sagt Bürgermeister Eric Pensalfini, sei zwar eingeladen gewesen, aber nicht mit in die Astorstadt gekommen – allerdings handelt es sich dabei nur um drei Personen. Denn nach dem Verhältniswahlsystem erhält in Frankeich die siegreiche Liste mindestens die Hälfte der zu besetzenden Sitze. Die andere Hälfte wird proportional gemäß Wähleranteil auf die Kandidaten der Listen verteilt, die mindestens fünf Prozent Wählerstimmen erhalten haben. Bürgermeister und Gemeinderäte sind ehrenamtlich tätig, die acht Stellvertreter des Bürgermeisters („adjoint“) verantworten den hiesigen Fachbereichen vergleichbare Ressorts, üben also Tätigkeiten aus, die in Deutschland der Verwaltung vorbehalten sind.
So unterschiedlich die Wahlsysteme und Verwaltungsorganisation sein mögen, so zeigt die Sitzung aber auch, wie ähnlich die Themen sind, mit denen sich Kommunen in Frankreich wie in Deutschland beschäftigen müssen. Eric Pensalfini berichtet zunächst über die Aktivitäten der Métropole du Grand Nancy, dem für 20 Städte und rund 260.000 Einwohner zuständigen Gemeindeverband, dem Saint-Max angehört. „Die Métropole steht vor großen Herausforderungen“, sagt er und nennt unter anderem Mobilität, Abfallwirtschaft, Abwasserentsorgung, Straßenbau, Sozialpolitik und Fremdenverkehr als Schlagworte. Pensalfini, der in der Métropole für internationale Beziehungen und beispielsweise für Projekte in arabischen und asiatischen Ländern zuständig ist, spricht auch die Partnerschaften der Métropole mit der Stadt Sidon im Südlibanon und von Saint-Max mit Amchit im Nordlibanon an. „All diese Beziehungen sind derzeit durch die internationalen Spannungen kompliziert“, sagt der französische Bürgermeister.
„Die Gemeinde steht vor großen Problemen bei der Einstellung von Kinderbetreuern“, spricht sein erster Stellvertreter Jean-François Midon ein Thema an, das auch die hiesige Region beschäftigt. In Saint-Max ist man zum Schluss gekommen, dass ein Teil des Problems darin liegt, dass der Stundensatz unter dem Durchschnitt benachbarter Gemeinden liegt. Der Gemeinderat beschließt die Erhöhung, was die Stadt rund 35.000 Euro im Jahr kosten wird. Zwei Beschlüsse liefern Beispiele für die interkommunale Zusammenarbeit: Das benachbarte Dommartemont hat nur rund 660 Einwohner (Saint-Max dagegen knapp über 10.000) und erhält gegen Kostenersatz bei Bedarf einen Verwaltungsbeamten aus Saint-Max. Und auch die Stadtpolizei darf in dem kleinen, aber sehr reichen Örtchen an zwei Stunden im Monat tätig werden. „Damit wird die Arbeit für alle erleichtert“, sagt Midon über die gegenseitigen Abkommen.
Eine große wirtschaftliche Herausforderung für die Stadt wird die notwendige Renovierung der Schule Victor Hugo – das Gebäude ist nach den Worten von Béatrice Bauer veraltet, die Wärmedämmung schlecht, die Energiekosten sind hoch. Nach einem Architektenwettbewerb hat das Gremium sich für einen Entwurf entschieden, der reine Baukosten von 5,6 Millionen Euro mit sich bringt. Mit Steuern und Nebenkosten summiert sich das Budget auf acht Millionen, vom Département Meurthe-et-Moselle, der zuständigen staatlichen Verwaltungseinheit, ist ein Zuschuss von 2,5 Millionen angekündigt. Weitere Themen: ein Bericht aus der Bibliothek, neue Angebote für Senioren, die Idee einer interkommunalen Zentralküche für alle Schulen der Métropole, die Sanierung der Anlagen des örtlichen Tennisclubs sowie Berichte über Abfall- und Abwasserentsorgung sowie Wasserversorgung und Nachhaltigkeit. „Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und Geduld“, sagt Eric Pensalfini an die Adresse der deutschen Zuhörer und läutet zum Sitzungsende die Glocke. Auch wegen der Abwesenheit der Opposition sind alle Beschlüsse des Abends einstimmig gefallen.
Am Morgen darauf, in einer öffentlichen Sitzung des Walldorfer Kultur-, Bildungs- und Partnerschaftsausschusses, stellt Bürgermeister Matthias Renschler in Anwesenheit der französischen Gäste zunächst die Gemeinderäte der Astorstadt vor und beantwortet zahlreiche Fragen der interessierten Besucher zur Organisation der städtischen Gremien und der Verwaltung. Thematisch geht es dann um das Stadtjubiläum 2026. Hintergrund ist laut dem Ersten Beigeordneten Otto Steinmann „die Verleihung der Stadtrechte im Jahr 1901“ durch Großherzog Friedrich I. von Baden. Nachdem die zu 1250 Jahren Stadtgründung geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten 2020 der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen waren, „schauen wir gespannt auf 2026“, so Steinmann. Nach den ersten Überlegungen sollen dann unter anderem die Partnerstädte eingeladen werden, Veranstaltungen der Stadt und der Vereine könnten unter das Dach des Jubiläums gestellt werden, es wird themenbezogene Konzerte, Kunstausstellungen und Stadtrundgänge geben. Nach einem internen Workshop gibt es bereits erste Entwürfe für die optische Gestaltung.
In einem kurzen Rückblick auf den diesjährigen Spargelmarkt bescheinigt Steinmann dem Fest, „nach wie vor ein Anziehungspunkt für die Bevölkerung“ zu sein. Dafür sorge die Stadt mit dem Unterhaltungsprogramm auf zwei Bühnen, den Fahrgeschäften der Schausteller und erstmals einer Spielstraße „als besonderes Angebot für Kinder und Familien“. Mit Kira I. habe man dieses Jahr eine neue Spargelkönigin gekrönt. Und Steinmann spricht auch die treuen Gäste aus Frankreich an: „Der Spargelmarkt wäre ohne den Besuch aus Saint-Max kein Spargelmarkt.“