19.01.2023, Kultur & Freizeit

Wie Sommerfrische im Wienerwald

Das Publikum sollte im Laufe des Abends ein fulminantes Neujahrskonzert zu hören bekommen.
Foto: Pfeifer

Fulminantes Neujahrskonzert mit dem SAP Sinfonieorchester zugunsten des Hospiz Agape

Für einen fulminanten und beschwingten musikalischen Start ins neue Jahr sorgte das SAP Sinfonieorchester letzten Sonntag. Das begeisterte Publikum in der bis auf den letzten Platz voll besetzten Astoria-Halle genoss die mitreißenden Walzer- und Polka-Klänge in vollen Zügen. Wie gewohnt, fand das Neujahrkonzert zusammen mit dem Förderverein des Hospiz Agape statt. Der Eintritt war frei, alle Spenden kamen dem Hospizverein in Wiesloch zugute.

Noch bevor die ersten Klänge das Publikum verzauberten, begrüßte Peter Schäfer, Vorsitzender des Fördervereins des Hospiz Agape, die Gäste und zeigte sich restlos überwältigt von dem großen Zuspruch. Auch Hausherr Bürgermeister Matthias Renschler freute sich über das große Interesse und nahm an, dass viele Gäste auch aus den Nachbargemeinden gekommen seien. Walldorf sei immer eine Reise wert, auch wenn es eine kurze ist, meinte er schmunzelnd. Alle Konzerte des SAP Sinfonieorchesters seien stets ein Erlebnis. Auch Christian Stumpf, Geschäftsführer des SAP Sinfonieorchesters, zeigte sich hoch erfreut über das volle Haus, ganz besonders nachdem die Neujahrskonzerte wegen der Corona-Pandemie zwei Jahre in Folge abgesagt werden mussten. Der Neuanfang erfolge auch unter neuer Leitung mit dem jungen dynamischen Dirigenten Martin Spahr, der neben seiner Tätigkeit als künstlerischer Betriebsdirektor des Stadttheaters Gießen und als Dirigent der Marburger Philharmonie seit diesem Jahr auch die Leitung des SAP Sinfonieorchesters übernommen hat. Nun hatte aber die Musik das Sagen. Nicht fürstlich, nicht königlich –  nein, kaiserlich begrüßte das groß besetzte Orchester die Zuhörer mit dem Kaiserwalzer von Johann Strauss (Sohn). Leise begann das berühmte, Kaiser Franz Josef gewidmete Werk, mit einer Trommel und fein getupften Holzbläserklängen im Marschrhythmus, der dann fast unmerklich in einen Dreivierteltakt überging. Dieser erste Walzer wurde von einer wunderbar kantabel gespielten Melodie des Solo-Cellos eingeleitet. Die leise Melodie ging bald in ein schwungvolles Forte über. Hier konnte das Orchester seine große Klangfülle entfalten. Den 50 Musikerinnen und Musikern war stets ihre große Spielfreude anzusehen. Der zweite Walzer begann mit einer sehnsuchtsvollen Melodie, bevor kräftige Rhythmen den dritten, weltberühmten Walzer einleiteten. Der Kaiserwalzer mit seinen herrlichen Melodien gilt als der Walzer aller Walzer und eine der schönsten Kompositionen von Strauss. Die Musikerinnen und Musiker ließen die Funken nur so sprühen und manch einer der Zuschauer wiegte sich beglückt im Dreiviertel-Takt und ließ sich in das Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts entführen. Große Trommelwirbel und satter Orchesterklang sorgten für einen fulminanten Schluss des Walzers.

Nun ergriff Dirigent Spahr das Mikrofon und führte eloquent und humorvoll durch das Programm. Mit den ausgewählten Werken wolle er Lust machen auf ein neues Jahr. Was für uns heute der Sommerurlaub ist, war für die Wiener die Sommerfrische im Wienerwald. In „Geschichten aus dem Wienerwald“ hat Johann Strauss (Sohn) diese Sommerfrische von der beschwerlichen Anreise, der schönen Zeit im Wald bis zur Heimreise in Musik gefasst. Das Werk besteht aus einer Folge von fünf Walzern, in denen eine Zither als Solo-Instrument in Erscheinung tritt. Die Zither wurde an diesem Abend ganz wunderbar von einer Harfe ersetzt. Solistisch ließ die Harfenistin anrührend die erste Walzermelodie erklingen, bevor das gesamte Orchester mit Schwung und guter Laune miteinstimmte. Der Orchesterklang war stets transparent und ausgewogen. Mit sattem Klang, aber ebenso mit feinen Piano-Stellen erfreute das Orchester das Publikum. Eine abwechslungsreiche und fein gestaltete Dynamik sorgte stets für eine inspirierende und überzeugende Interpretation. Dirigent Spahn führte temperamentvoll und präzise. Die frische Musizierfreude, mit der alle bei der Sache waren, wirkte einfach ansteckend. Für wahre Begeisterungsstürme und Bravo-Rufe sorgte Gioachino Rossinis Ouvertüre zur Oper „Wilhelm Tell“. Nach einem wunderschönen Duett von Englischhorn und Querflöte leiteten Trompetenfanfaren und Trommelschläge zum bekannten rasanten Galopp im fulminanten Orchesterklang über.

Anschließend entführte das Orchester mit Johann Strauss` (Sohn) „Märchen aus dem Orient“ an einen der Sehnsuchtsorte des 19. Jahrhunderts. Die Komponisten jener Zeit waren von den Märchen- und Klangwelten des Morgenlandes fasziniert. Aus dem anfänglich morgenländisch anmutenden Ambiente mit feinen Holzbläserklängen und -farben, Triangel und Xylofon schälte sich bald ein mitreißender Wiener Walzer heraus. Auch Franz Schuberts Ouvertüre „Die Zauberharfe“ zum romantischen Schauspiel „Rosamunde“ gefiel. Hier meistert die junge zypriotische Regentin Rosamunde alle Intrigen und Anschläge mit entwaffnender Ehrlichkeit. In Johann Strauss` (Sohn) Operette „Der Zigeunerbaron“ wird viel unglücklich geliebt und gelitten. Die Wiener Gesellschaft sah sich in der Entstehungszeit 1885 mit einem weiteren Krieg konfrontiert und sehnte sich nach Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. In diesen Liebeskummerwirren geht es im Grunde genau darum. Die damalige Gesellschaft verstand das sehr wohl. Auch in der Astoria-Halle sorgte die Ouvertüre zum "Zigeunerbaron" für große Begeisterung. Sie entführte das Publikum augenblicklich in die Atmosphäre des Handlungsortes Ungarn. Die wunderschönen Melodien luden zum Mitschunkeln ein. Nach dem fulminanten Schluss gab es regelrechte Beifallsstürme. Mit einem Highlight aus der Strauss-Dynastie, der Schnellpolka „Unter Donner und Blitz“ verabschiedete sich das SAP Sinfonieorchester. Das musikalische Sommergewitter wurde mit so viel Herzblut und Verve zum Besten gegeben, dass es das Publikum wortwörtlich von den Stühlen riss. Stehend klatschten und wippten die Zuhörer im Takt mit. Kaum waren die letzten Töne verklungen, brandete großer Jubel auf. Mit stehenden Ovationen, begeistertem Applaus und Bravo-Rufen bedankte sich das Publikum beim SAP Sinfonieorchester und seinem Dirigenten Martin Spar für dieses Funken sprühende und mitreißende Neujahrskonzert. Ohne Zugabe ließ es die Musiker nicht ziehen und so durfte es bei Strauss` „An der schönen blauen Donau“ noch einmal in Walzer-Seligkeit schwelgen. Aber auch dann hatte es immer noch nicht genug und so kam, was kommen musste: der endgültige „Rausschmeißer“, auf den alle gewartet hatten. Mit der heimlichen Nationalhymne Österreichs, dem Radetzky-Marsch, setzte das SAP Sinfonieorchester einen grandiosen Schlusspunkt.
 

Carmen Diemer-Stachel