31.01.2023, Startseite
Fachkräftemangel, Wohnraum und Grundsteuerreform
Landtagsvizepräsident Daniel Born (Mi.) stellte sich den kritischen Fragen der Vertreter aus Gemeinderat und Verwaltung.
Foto: Stadt Walldorf
Diskussion aktueller Themen mit Landtagsvizepräsident Daniel Born im Rathaus
„Wir hoffen, dass die Kommunen und das Land wieder näher zusammenrücken“, lautet das Fazit von Bürgermeister Matthias Renschler nach einem Besuch von Landtagsvizepräsident Daniel Born im Walldorfer Rathaus. Anlass war der gemeinsame offene Brief von Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landrat des Rhein-Neckar-Kreises an Bundes- und Landespolitiker, in denen sie Anfang November 2022 unter dem Titel „Kein Weiter so“ auf die wachsenden Belastungen für die Kommunen aufmerksam gemacht hatten. „Unsere Kommunen sind nicht das Kellergeschoss der Demokratie, sondern ihr Fundament“, schrieb Born in seiner Antwort und bekräftigt das in der Diskussionsrunde mit Fraktionsvertretern und Verwaltungsspitze im Ratssaal: „Der Staat wird in der Kommune wahrgenommen. Hier erleben die Bürger, ob der Staat funktioniert“, sagt er.
Der SPD-Politiker, Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Schwetzingen und sogenannter Betreuungsabgeordneter seiner Partei für den Wahlkreis Wiesloch, wird in Walldorf mit einer Fülle von aktuellen Themen konfrontiert: Der Fachkräftemangel im Bildungs-, Betreuungs- und Pflegebereich brennt den kommunalen Vertretern ebenso auf den Nägeln wie die Schaffung von dringend benötigtem, vor allem auch gefördertem Wohnraum oder die Grundsteuerreform. Für die Mitarbeiter im Rathaus sei angesichts der Aufgabenfülle „ein Riesenwerk zu bewältigen“, stellt Bürgermeister Renschler fest. Zwar sei man in Walldorf bei der Finanzierung in einer glücklichen Lage, diese leichter als andere Kommunen stemmen zu können. „Ein Problem ist aber überall gleich: der Fachkräftemangel.“ Wo, so möchte der Bürgermeister wissen, sollen die Fachkräfte herkommen? Wie steht der Landtag dazu, sie aus dem Ausland anzuwerben?
Daniel Born, unter anderem Sprecher seiner Fraktion für frühkindliche Bildung, sieht die Schwierigkeit zwischen hohen Standards, die von oben vorgegeben werden, und ihrer Umsetzung, die dann bei den Kommunen hängen bleibt. „Man muss immer überlegen, ob es leistbar ist, die Kitas so zu gestalten, wie wir uns das wünschen.“ Es dürfe keine Schieflage entstehen, die Kommunen müssten die Standards umsetzen können, das gehe nicht ohne geeignetes Personal. „Wir brauchen die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland“, dafür würden auf Bundesebene bereits die richtigen Schritte unternommen. Das gelte für die Kinderbetreuung, aber auch für den Pflegebereich. „Personal zu gewinnen, ist nicht das größte Problem“, relativiert Born. „Sondern es zu halten.“ Hierfür seien Räumlichkeiten, Ausstattung und Anforderungen entscheidend. „Wie ist der Personalschlüssel? Wie ist die qualitative Situation an den Kitas? Wie sieht meine eigene berufliche Entwicklung aus?“, nennt der Landtagsvizepräsident Beispiele. Hauptinteresse der Eltern sei, die Betreuungszeiten zu haben. Das sei nachvollziehbar. „Aber für die Gewinnung von Personal ist es nicht gut, wenn dauerhaft im Notfall-Modus gearbeitet wird.“
Aus Sicht des Ersten Beigeordneten Otto Steinmann sind „alle Beteiligten am Kindergartenleben an Qualität interessiert“. Größere Gruppen wären „ein notwendiges Übel“. Dass die nach den letzten Tarifverhandlungen für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst eingeführten zusätzlichen „Regenerationstage“ (bis zu vier Tage Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts) zu mehr Erholung führen, sei für die einzelnen Erzieherinnen und Erzieher zu begrüßen. In der rechnerischen Gesamtbetrachtung sieht er jedoch die Gefahr, dass dies aufgrund des Fachkräftemangels zu reduzierten Öffnungszeiten führen könnte. Denn zusätzliches Personal, das dies kompensieren könne, sei derzeit kaum zu gewinnen.
Und wenn man in der Ganztagsbetreuung an den Schulen mit Erzieherinnen arbeite, „ziehen wir unser eigenes Personal weg“. Weitere Kräfte werden laut Steinmann fehlen, wenn ab 2026 der verpflichtende Ganztagsbetrieb kommt. Born verteidigt die Regenerationstage, in anderen Berufen könne man sich eher Pausen zur Erholung gönnen, im Kindergarten gebe es „die Möglichkeit nicht“. Aufgrund fehlender Lehrer werde zudem der Ganztagsbetrieb an den Schulen „nicht so kommen“, wie vom Land gewünscht. „Es wird einen anderen Ganztag geben.“ Der SPD-Politiker benennt den Spagat: „Wo sind die politischen Ziele? Wo haben wir nicht die Komponenten zur Verfügung?“ Ähnlich sei es mit den Standards in der Pflege, die noch in einer anderen Zeit definiert worden seien. Born hebt an dieser Stelle hervor, dass hier ganz deutlich werde, dass der Fachkräftemangel in verschiedenen Branchen „auch ein Wohlstandsverlust für unser Land“ sei.
Grünen-Gemeinderat Wilfried Weisbrod spricht die Wohnraum-Situation an und die Ausweisung immer neuer Baugebiete. Die Zeit der Einzelhäuser sei vorbei, meint er. Für den Lebenstraum vom Eigenheim dürfe man niemanden „in die Ecke stellen“, sagt Born. Aber man müsse wieder dahin kommen, dass Einfamilienhäuser auch von Familien und nicht von Einzelpersonen bewohnt werden. Dafür müsse man den Menschen Wohnungen anbieten können, wendet CDU-Gemeinderat Uwe Lindner ein. Die könne auch der ländliche Raum liefern, glaubt Born und sieht Potenzial in der Aufstockung bestehender Gebäude, statt weiter in die Fläche zu gehen und sogenannte „Donut“-Siedlungen zu schaffen, mit Wohnringen um leere Ortskerne. Wie man Ortskerne stärkt, habe Walldorf mit der Ansiedlung des Lidl-Markts „mitten im Ort“ vorbildlich gezeigt, findet SPD-Gemeinderat Manfred Zuber, ähnlich mit Edeka und Aldi an der Schnittstelle zum Neubaugebiet. „Dafür muss die Gemeinde Grundstücke erwerben, um sie den Firmen anbieten zu können.“
Angesprochen wird der öffentliche geförderte Wohnraum, der längst nicht mehr nur „für die Ärmsten der Armen“ (Born) ein Thema ist. Inzwischen erhält laut David Högerich, Leiter des Eigenbetriebs Wohnungswirtschaft, auch ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahreseinkommen von rund 71.000 Euro einen Wohnberechtigungsschein. „Ich würde gerne den Begriff Sozialwohnungen ausradieren“, gibt ihm Born recht, lieber von gefördertem oder mietpreisgebundenem Wohnungsbau zu sprechen. „Bauen wird zunehmend teurer und komplizierter“, sagt Stadtbaumeister Andreas Tisch in diesem Zusammenhang. Seines Erachtens sind oft die technischen Anforderungen zu hoch. Das Land müsse sich hinterfragen: „Was bürdet man den Kommunen und den Bürgern auf? Ist das leistbar? Braucht es das wirklich?“ Born widerspricht nicht, sieht aber vor allem auch die „Komponente Mensch“. Das Personal sei „der Flaschenhals“, sein Fehlen „an allen Ecken und Enden spürbar“.
Der Landtagsvizepräsident verteidigt die umstrittene Grundsteuerreform. Der Datenbestand sei veraltet und die Reform sei höchstrichterlich vorgeschrieben gewesen, begründet er ihre Notwendigkeit. „Gerade in unserer Region sind die Bodenrichtwerte enorm gestiegen“, kritisiert Otto Steinmann die hohen Mehrkosten, die auf viele Bürger zukommen. Kämmerer Boris Maier nennt im Schnitt „das Doppelte für Gewerbegrundstücke, das Drei- bis Fünffache für die Wohnbebauung und den Faktor 26 für unbebaute Grundstücke“. Das könne man auch über den Hebesatz nicht ausgleichen. Den Ärger darüber werde nicht das Land, sondern die Stadt abkriegen, weiß Bürgermeister Renschler.