01.08.2024, Startseite
„Es wird nicht einfacher für die Tafeln“
Besuch bei der Tafel: (v.li.) Landesvorsitzender Wolfhart von Zabiensky, Nicolas Schell, Bundesvorsitzender Andreas Steppuhn, Hans Klemm, Erster Beigeordneter Otto Steinmann, Marco Schirmacher und David Högerich.
Foto: Stadt Walldorf
Besuch des Bundesvorsitzenden Andreas Steppuhn in der Walldorfer Einrichtung
„Lebensmittel retten, Menschen helfen“, lautet das Motto der Tafeln. Dass die Herangehensweisen oft unterschiedlich, die Probleme und Herausforderungen aber meist sehr ähnlich sind, wird beim Besuch von Andreas Steppuhn in der hiesigen Einrichtung deutlich. Der Vorsitzende des Dachverbands Tafel Deutschland sagt: „Wir spüren in allen Städten, dass es Menschen gibt, die Unterstützung brauchen.“ Der ehemalige SPD-Abgeordnete des Bundestags und des Landtags von Sachsen-Anhalt übt sein aktuelles Amt seit gut einem Jahr aus und führt auf seiner zweitägigen Reise durch Baden-Württemberg vor allem Gespräche mit dem Lebensmittelhandel, schaut sich aber auch einige Einrichtungen vor Ort an.
In Walldorf freut sich Steppuhn über die Unterstützung, die die Tafel durch die Stadt und die Stiftung von Dietmar Hopp erhält. „Das ist schon etwas Besonderes“, lobt er das soziale Engagement. Dass sich in Walldorf rund hundert Ehrenamtliche in die Arbeit der Tafel einbringen, hat aus seiner Sicht „auch etwas mit den Rahmenbedingungen zu tun“. Die sind, daran lässt der Bundesvorsitzende keinen Zweifel, in den Räumen im Haus am Kreisel sehr gut. „Ich würde mir wünschen, wir hätten überall Städte wie Walldorf, die zu ihrer Tafel stehen“, sagt er.
Andreas Steppuhn und der baden-württembergische Tafel-Vorsitzende Wolfhart von Zabiensky werden in Walldorf vom früheren Vorsitzenden Hans Klemm und dem zweiten Vorsitzenden Nicolas Schell sowie seitens der Stadt vom Ersten Beigeordneten Otto Steinmann, dem Leiter des Fachdienstes Soziale Hilfen, Marco Schirmacher, und dem Leiter des Eigenbetriebs Wohnungswirtschaft, David Högerich, empfangen. Die Dietmar-Hopp-Stiftung vertritt Uta Mielisch (Referentin Bildung & Soziales). „Für uns ist die Tafel ein wichtiger Bestandteil im sozialen Angebot der Stadt“, sagt Steinmann und stellt Walldorf als „sehr sozial-affine Kommune“ vor. Beispiele dafür liefern die im selben Haus untergebrachten Einrichtungen Kleiderstube und Plattform, die ebenfalls kurz in Augenschein genommen werden. Das Haus sei durch die Dietmar-Hopp-Stiftung finanziert worden, unterstützt durch die Stiftung von Sonja und Gerd Oswald, werde heute durch die Stadt betrieben und den Einrichtungen mietfrei zur Verfügung gestellt. Die Stadt sei „sehr dankbar für das Tafel-Angebot“, so Steinmann, denn es gebe auch im vergleichsweise reichen Walldorf den Bedarf dafür und man sei dankbar, dass er gedeckt werde. Den gut hundert Ehrenamtlichen, die sich in der Tafel engagieren, danke die Stadt dafür, dass sie bereit seien, „die Ärmel hoch zu krempeln“.
Hans Klemm, von der Gründung der Tafel Walldorf 2008 bis zum vergangenen Jahr Vorsitzender, unterstreicht: „Die Stadt unterstützt uns von Anfang an.“ Das sei schon am alten Standort der Fall gewesen und habe sich im 2020 bezogenen Haus am Kreisel von der Grundstückssuche bis heute fortgesetzt. „So ein schönes Gebäude hat kaum eine andere Tafel“, bestätigt Wolfhart von Zabiensky. Nicolas Schell geht auf die Arbeit vor Ort ein: In den vergangenen vier Monaten hätten rund 300 sogenannte „Bedarfsgemeinschaften“ – zusammen sind das 685 Personen, darunter 266 Kinder – in der Tafel eingekauft. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine wachse die Zahl der Geflüchteten unter den Tafel-Kunden.
Dass die Lebensmittel direkt aus den Supermärkten kommen, sei „weniger geworden“, berichtet Schell, weil dort heute offenkundig besser disponiert werde. „Bei Sammelaktionen kommt viel zusammen und durch Spenden“, sagt er. Entwicklungen, die Andreas Steppuhn aus bundesweiter Sicht bestätigen kann: „In den Supermärkten und Discountern wird nachhaltiger gewirtschaftet“ – was aus Sicht des Kampfs gegen Lebensmittelverschwendung eine gute Sache sei. Ziel der Tafeln müsse deshalb sein, „verstärkt Großspender zu akquirieren“, um auf Überproduktion und Waren, die nicht in den Handel kommen, zugreifen zu können. „Das funktioniert“, sagt Steppuhn. Die Verteilung an die einzelnen Tafeln sei dann aber oft eine logistische Herausforderung und mit Kosten verbunden.
„Lebensmittelrettung ist nicht zum Nulltarif zu haben“, spricht der Bundesvorsitzende über Kostenfaktoren wie Steuern, Lkw-Maut, die jetzt auch für 3,5-Tonner gilt, oder Müllgebühren, bei denen man sich mehr Unterstützung aus der Politik wünscht. Die Kosten dürften „nicht ins Uferlose wachsen“. 1,6 bis zwei Millionen Menschen sind nach seinen Worten Kunden der bundesweit 975 Tafeln, in denen sich 60.000 Menschen ehrenamtlich als Helfer engagieren. „Haben wir die in fünf Jahren noch?“, sei Überalterung ein Problem. Dem will man mit Initiativen wie der Tafel-Jugend und den Förderangeboten der Tafel-Akademie entgegenwirken. „Es wird nicht einfacher für die Tafeln in Deutschland“, sagt Steppuhn.
Als Unterstützerin der Tafeln in der Metropolregion versteht sich die Dietmar-Hopp-Stiftung, wie Uta Mielisch unterstreicht. Man habe schon in ganz verschiedenen Fällen Unterstützung geleistet von der Anschaffung neuer Kühlfahrzeuge bis zur Schulranzenaktion, die ein Tafelladen auf die Beine gestellt hat. „Wenn Bedarf da ist, kann man einen Antrag stellen“, sagt die Referentin. Und: „Unsere Tür steht offen.“