25.09.2023, Startseite
Ein kammermusikalischer Kunstgenuss
Das Ensemble Operino begeisterte das Publikum zum Auftakt der Musiktage im fast vollbesetzten Rathaus-Atrium.
Foto: Helmut Pfeifer
Gelungener Auftakt der Musiktage mit dem Ensemble Operino
Kurz vor Herbstanfang öffneten die nunmehr 14. Walldorfer Musiktage unter dem spannenden Motto „Wunderkinder“ ihre Pforten. Die Auftaktveranstaltung fand traditionell im stimmungsvoll in blau-violettes Licht getauchten Atrium des Rathauses statt. Zahlreiche Besucher schritten über den roten Teppich und freuten sich über die Verwandlung des Verwaltungsgebäudes in einen Konzertsaal mit ausgezeichneter Akustik. Dr. Timo Jouko Herrmann, Initiator und künstlerischer Leiter der Musiktage sowie Musikbeauftragter der Stadt, hat wieder einmal ein abwechslungsreiches und gut durchdachtes Programm mit zahlreichen musikalischen Kleinoden und Raritäten zusammengestellt.
Im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung stand das musikalische Wunderkind par excellence: Wolfang Amadeus Mozart. Das Ensemble Operino, bestehend aus Wilke Lahmann (Cembalo), Britta Hofmann (Violine), Timo Jouko Herrmann (Violine) und Paul Cervenec (Kontrabass), brachte drei frühe Cembalo-Konzerte des damals erst 14-jährigen Wunderkindes auf historischen Instrumenten zum Klingen. Bevor die Musik das Sagen hatte, begrüßte Bürgermeister Matthias Renschler das Publikum im fast bis auf den letzten Platz voll besetzten Atrium herzlich. Er bedankte sich bei Dr. Herrmann, der die Walldorfer Musiktage seit 2009 leitet und konzipiert und wies darauf hin, dass das Festival weit über die Stadtgrenzen hinaus wegen seiner hohen Qualität einen hervorragenden Ruf genieße und sich großer Beliebtheit erfreue. Neben den bildenden Künsten räume die Stadt Walldorf auch der klassischen Musik einen hohen Stellenwert ein und fördere Künstlerinnen und Künstler verschiedenster Fachrichtungen.
Herrmann gewährte spannende Einblicke in die Lebenswelt und das kompositorische Schaffen des jungen Mozart. Die selten zu hörenden Cembalo-Konzerte KV 107/1, KV 107/2 und KV 107/3 waren Reise-Konzerte, die während der Italien-Reise 1770 für eine kleine Besetzung entstanden sind. Zwei Violinen und ein Kontrabass waren überall zu finden, während Mozart auf dem Cembalo brillieren konnte. Auch ein komponierendes Wunderkind wie Mozart fiel nicht vom Himmel, erläuterte Herrmann. Mozart hatte durchaus Vorbilder, denen er nacheiferte und so hatte er seine drei Konzerte nach Sonaten des von ihm hochverehrten Johann Christian Bach, den er mit siebeneinhalb Jahren persönlich in London traf, arrangiert.
Mit Bachs frühklassischem Stil setzte sich Mozart intensiv auseinander und wandelte die Sonaten in Konzerte um, bei denen es immer um die Kontraste zwischen Gruppe und Soloinstrument geht. So entstanden laut Herrmann ganz wunderbare kleine Edelsteine. Ihre Struktur sei spannend, denn normalerweise bestand ein Konzert in der damaligen Zeit aus drei Sätzen (schnell, langsam, schnell), was Mozart aber nur bei dem ersten Konzert umsetzte, während die beiden anderen zweisätzig sind mit einem schnellen ersten und einem lyrischen, manchmal schon melancholischen, zweiten Satz. Das war typisch für den galanten Stil Johann Christian Bachs, der seine Werke nicht mit einem Kehraus, sondern mit einem ruhigen Satz ausklingen ließ.
Auch die Besetzung ist eine besondere, fehlt doch die Mittelstimme (Bratsche). So hat das Cembalo genug Raum zum Klingen. Leider erlitt das schöne Cembalo des Ensembles Operino aus der Werkstatt von Michael Walker aus Neckargemünd beim Transport eine Beschädigung und Lahmann konnte nur eines der zwei Manuale benutzen, was natürlich eine enorme Umstellung für den Cembalisten bedeutete und den Klang noch fragiler machte. Lahmann meisterte diese Herausforderung jedoch bravourös.
Spritzig und fröhlich erklang der erste Satz des ersten Konzerts. Lahmann ließ das Cembalo silbern und filigran erklingen. Schnelle Läufe meisterte er virtuos. Während der zweite Satz ruhig und getragen dahinfloss, erklang das Menuett beschwingt und tänzerisch. Das Ensemble Operino bezauberte mit seinem harmonischen Zusammenspiel, großer Transparenz, fein differenzierter Dynamik und offensichtlicher Spielfreude und bescherte den Zuhörern einen wunderbaren kammermusikalischen Kunstgenuss.
Zwei recht unbekannte Mozart-Schmankerl erklangen jeweils zwischen den Konzerten. Zum einen das Adagio für zwei Violinen und Basso continuo KV 266/1, zum anderen das Menuett und Trio für zwei Violinen und Basso continuo KV 266/2. An beiden Stücken sieht man deutlich, wie Mozart noch seinen Stil gesucht hat. Im Adagio kommt kein Motiv zweimal vor, es wiederholt sich nichts. Es kommen immer neue Themen und Ideen, was den Intentionen der Klassik, nämlich dem Strukturierten, total entgegensteht. Es ist eher rhapsodisch und unglaublich modern für seine Zeit. Das Menuett lässt Mozart dagegen immer wieder ins Leere laufen, was eigentlich bei einem Tanz-Satz nicht richtig funktioniert. Das Adagio gefiel mit seiner schönen, anrührenden Melodie. Großen Anklang beim Publikum fand das Menuett mit seinem fröhlichen, volkstümlichen Thema, das immer wieder von Seufzer-Figuren, neckischen Pizzicati und plötzlichen Pausen unterbrochen wurde.
Auch die beiden anderen Cembalo-Konzerte kamen gut beim Publikum an. Wunderbar hauchte das Ensemble dem fröhlich-eleganten Charakter von Mozarts Musik Leben ein. Große Fingerfertigkeit erwies Cembalist Lehmann, der sein Instrument zum Leuchten und Glitzern brachte. Alle Stimmen waren wunderbar präsent, agierten wach und hochkonzentriert, spielten beweglich und in einer großen Bandbreite an Farben und Wirkungen. Alles klang natürlich und lebendig. Es war ein Genuss, diesem wunderbaren Ensemble zu lauschen. Das Publikum war sich einig: Das war ein gelungener Auftakt der diesjährigen Musiktage.
Ohne Zugabe ließ es die Musikerin und die Musiker nicht ziehen. Allerdings erklang nun kein Mozart-Werk, sondern eines von Händel, den Mozart am Ende seines Lebens ebenfalls sehr verehrte und zwar das anrührende Largo aus der Triosonate op.5. Begeisterten Applaus gab es am Ende für dieses schöne und inspirierende kammermusikalische Konzert. Die Stadt Walldorf lud anschließend zu Sekt und Orangensaft ein und so konnte der Abend auf angenehme Weise ausklingen.
(Carmen Diemer-Stachel)