26.01.2023, Kultur & Freizeit
Dramatik, Spannung und zu viele Bremsen
Armin Rößler widmete sich Volker Kutschers neuntem Rath-Roman.
Foto: Stadt Walldorf
Volker Kutschers Krimi „Transatlantik“ unterhält gut, überzeugt aber nicht restlos
Volker Kutscher liest am Dienstag, 31. Januar, 20 Uhr, in der Stadtbücherei Walldorf aus seinem aktuellen Roman „Transatlantik“, dem neunten Band der Gereon-Rath-Reihe, erschienen im Oktober 2022. Was erwartet die Leser und die Besucher der Veranstaltung? Armin Rößler, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt, hat sich das Buch vorgenommen.
Mit der Erstausstrahlung der Fernsehserie „Babylon Berlin“ im Herbst 2017 ist Volker Kutscher, der Autor der Romanvorlage, einem breiteren Publikum bekannt geworden. Sein historischer Krimi „Der nasse Fisch“ wurde bereits 2008 veröffentlicht. Inzwischen erlebt die Hauptperson, Kriminalkommissar Gereon Rath, in „Transatlantik“ (Piper Verlag, 2022) schon sein neuntes Abenteuer, steht dieses Mal aber nicht so sehr im Vordergrund wie in den Vorgängerbänden. Denn Rath hat Berlin verlassen müssen, landet erst in Wiesbaden, dann gar in den USA. Zuhause rückt seine Frau Charlotte in den Mittelpunkt der Handlung. Ansonsten setzt Kutscher auf die bewährte Mischung seiner beliebten Gereon-Rath-Romane: Er platziert eine spannende Krimihandlung vor einen sehr anschaulich geschilderten und authentisch wirkenden geschichtlichen Hintergrund, in diesem Fall des Jahres 1937. Zur Erinnerung: Der erste Roman und die erste Staffel der TV-Serie spielen 1929 in einem Berlin, in dem sich inmitten wachsender wirtschaftlicher Probleme das Scheitern der Weimarer Republik abzeichnet. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten hat sich diese Welt inzwischen im Großen wie im Kleinen kolossal verändert.
Kutschers Stärke ist unzweifelhaft die historische Kulisse, die er sehr überzeugend zeichnet, geradezu liebevoll bis in die kleinsten Details. Sein Berlin zur Nazi-Zeit ist nicht einfach nur die Bühne für die Romanhandlung, es lebt regelrecht und wirkt absolut glaubhaft. Dazu kommt eine Fülle schlüssig ausgearbeiteter Figuren, allen voran dieses Mal Charlotte „Charly“ Rath, geborene Ritter, die ihren Weg von der Stenotypistin der Mordinspektion bis zur Privatdetektivin gegangen ist, nach dem fiesen Cliffhanger am Ende des Vorgängerromans „Olympia“ (Piper Verlag, 2020) in großer Ungewissheit um ihren offiziell als tot erklärten Mann lebt und zudem nach ihrer verschwundenen Freundin Greta Overbeck sucht, die unter Mordverdacht steht. Das Schicksal ihres ehemaligen Pflegesohns Fritze nimmt gleichfalls breiten Raum ein und transportiert durch sein Schicksal, das ihn aus der Nervenheilanstalt in die Familie und Fänge eines NS-Schergen führt, die vielleicht nachhaltigsten Eindrücke des nationalsozialistischen Alltags. Rath selbst spielt da eher die dritte Geige, hat vor allem damit zu tun, unfreiwillig Fäden der Vergangenheit wieder aufzunehmen und sich alter Gegenspieler zu erwehren.
Kutschers Schwäche ist das fehlende Vertrauen in seine Leser. Die Rückblenden, mit denen ebenso oft wie ausführlich an Geschehnisse früherer Bücher und die Schicksale verschiedener Personen erinnert wird, stören schon früh den Lesefluss. Ihre Sinnhaftigkeit darf zumindest hinterfragt werden: Wer alle Bücher kennt, braucht diese Erklärungen nicht. Und Neulingen im Rath-Kosmos könnte der Autor fehlende Informationen besser über die Handlung nahebringen, nicht über langwierige erklärende Passagen. Die gehen auf den hinteren Seiten irgendwann so weit, dass Ereignisse aus demselben Roman noch einmal lang und breit geschildert werden – Déjà-vu-Momente, die nun wirklich niemand braucht, falls man das Buch nicht für ein paar Monate zur Seite gelegt haben sollte. Kritisch auch der Versuch, historische Ereignisse, die sattsam bekannt sein sollten, für vermeintlich aufregende Szenen zu nutzen: Ob wirklich jemand davon überrascht wird, wie der Flug mit dem Zeppelin „Hindenburg“ im Mai 1937 in die USA endet?
Dass Volker Kutschers Bücher trotz dieser offenkundigen handwerklichen Sünden eine große Leserschaft ansprechen, spricht für den Spannungsgehalt seiner Krimihandlungen, die zumindest einiges übertünchen. Auch „Transatlantik“ enthält genug Dramatik, um den Leser mitfiebern zu lassen, und einige überraschende Wendungen, die zwar nicht immer zwingend logisch erscheinen mögen, aber für zusätzliche Spannung sorgen. Für einen echten Pageturner hat der Autor mit seinem Hang zu überflüssigen Erklärungen leider zu viele Bremsen eingebaut, ein solider, unterhaltsamer Krimi und sehr anschaulicher Blick in die Historie gelingt ihm aber allemal.
Info: Karten für die Lesung sind zum Preis von 8 Euro in der Stadtbücherei Walldorf und in der Buchhandlung Dörner in Walldorf erhältlich.