18.10.2023, Startseite
Die vierte Reinigungsstufe ist im Probebetrieb
Das Sedimentationsbecken mit einem Durchmesser von 26 Metern ist Teil der vierten Reinigungsstufe in der Kläranlage.
Foto: Stadt Walldorf
Phosphor- und Spurenstoffelimination in der Kläranlage des Abwasserzweckverbands
„Das kommunale Abwasser ist kein Problem“, sagt Thomas Maier. An den Abwässern der Industrie dagegen habe man schon „mehr zu knabbern“. Der Betriebsleiter der Kläranlage des Abwasserzweckverbands Untere Hardt in St. Ilgen hat Mitglieder der Verbandsversammlung und Gemeinderäte aus Walldorf, Nußloch, Sandhausen und Leimen zu Gast, um ihnen die neue PSE-Anlage zu demonstrieren, die derzeit noch im Probebetrieb läuft. Die Abkürzung „PSE“ steht für Phosphor- und Spurenstoffelimination; dem Laien ist sie als sogenannte „vierte Reinigungsstufe“ in Kläranlagen ein Begriff, die unter anderem die Überreste von Medizinprodukten und Mikroplastik aus dem Wasser filtert. Damit ist die auf 110.000 Einwohnerwerte (zu 70.000 Bürgerinnen und Bürgern der genannten Kommunen kommen noch Industrie und Gewerbe) ausgelegte Kläranlage technisch auf dem neuesten Stand.
„Herr Maier wird uns zeigen, wo unser Geld investiert wird, was in den vergangenen Jahren hier abgelaufen ist und was noch entsteht“, sagt Sandhausens Bürgermeister Hakan Günes, der Verbandsvorsitzende, zur Begrüßung. Elf Millionen Euro hat der Abwasserverband in die PSE-Anlage investiert, vom Land wurde die Maßnahme mit 20 Prozent bezuschusst. Sie ist – daher auch die Bezeichnung „vierte Reinigungsstoffe“ – der bestehenden Anlage nachgeschaltet, gewissermaßen ein „add-on“, wie Thomas Maier sagt. Das Abwasser durchläuft also zunächst den bisherigen Reinigungszyklus und wird dann zum Abschluss in die neue Anlage geleitet, mit der Phosphor und Spurenstoffe eliminiert werden, ehe das Wasser in den neben der Kläranlage verlaufenden Landgraben geleitet wird und von dort über den Leimbach in den Rhein fließt.
Noch läuft im hoch komplexen Prozess nicht alles hundertprozentig perfekt: „Was Phosphor angeht, machen wir eine Punktlandung“, erläutert der Betriebsleiter. Stichproben seien kein Problem, bei der sogenannten 24-Stunden-Mischprobe, für die es „scharfe Anforderungen“ gebe, „halten wir die Grenzwerte gerade so ein“. Aber: „Die Spurenstoff-Elimination befindet sich noch in der Erprobungsphase. Da haben wir noch Kulanz.“ Im Herbst 2019 wurde mit dem Bau der PSE-Anlage begonnen, auch wegen der Lieferketten-Problematik hat alles etwas länger gedauert. „Mit den großen Aufgaben sind wir letzten Sommer fertig geworden“, sagt Arthur Napierala (Ingenieurbüro-Arbeitsgemeinschaft Tuttahs & Meyer/Schlegel, Bochum/München), der in einem kleinen offiziellen Akt zur Übergabe der Anlage an Hakan Günes einen großen gebackenen Aachener Printenschlüssel überreicht. „Seither laufen viele Restarbeiten und der Probebetrieb.“ Im ersten Quartal 2024 soll dann alles fertig sein. Napierala bezeichnet die Spurenstoff-Elimination als „die Kür“, „damit sind wir noch nicht ganz so weit“. Man verwendet Pulveraktivkohle, um die Spurenstoffe aus dem Wasser zu lösen. „Das gibt es noch nicht so häufig, da fehlt es an Erfahrungswerten“, sagt Napierala und ist gleichzeitig zuversichtlich: „Lösungen werden im Moment erarbeitet.“
Das bereits vorgeklärte Wasser wird in den Keller des Maschinenhauses gezogen, in dem fünf Großpumpen stehen, die es in das 26 Meter durchmessende und vier Meter tiefe Sedimentationsbecken befördern. „Wir brauchen diese Größe, um dem Produkt Zeit zu geben“, erläuert Napierala. Florian Omiecina vom Team der Kläranlage demonstriert den Prozess mit einem Glas Cola. „Wir dosieren Kohle ein, machen das Wasser also noch mal dreckig.“ Fäll- und Flockmittel helfen der Kohle dann, sich wieder abzusetzen und gleichzeitig Phosphor und Spurenstoffe aus dem Wasser zu lösen. Sehr anschaulich wird die Flüssigkeit, die Omiecina in einen mit Pulveraktivkohle gefüllten Kaffeefilter kippt, deutlich entfärbt. Was sich im Sedimentationsbecken nicht absetzt, wird in der darauf folgenden Tuchfilteranlage aus dem Wasser filtriert. „Wir untersuchen das Wasser täglich auf Grenzwerte“, sagt Stefan Herzog, der im Betrieb für die Analytik zuständig ist.
Nach dem aufwendigen Prozess fließt dann aber dennoch kein Trinkwasser aus der Kläranlage, wie man vielleicht glauben könnte. Das macht Thomas Maier deutlich: „Das Wasser hat anschließend keine Nullbelastung.“ Das sei angesichts des „hoch konzentrierten Abwassers“, das in der Kläranlage landet, auch nicht möglich. „Ziel ist, dass die Restbelastung nur noch so hoch ist, dass die Natur damit klarkommt.“ Mit der Behandlung in der Kläranlage erreiche man „einen guten chemischen, ökologischen Zustand“. Das dauert übrigens bei Regenwetter gut 15 Stunden, bei Trockenwetter sogar rund drei Tage, in denen das Wasser durch die Anlage läuft.