19.09.2024, Startseite
„Das Publikum ist immer neugierig geblieben“
Dr. Timo Jouko Herrmann, der künstlerische Leiter der Walldorfer Musiktage, spricht im Interview über die Veranstaltungen des schon 15. Festivals.
Foto: Stadt Walldorf
Interview mit Dr. Timo Jouko Herrmann über die Walldorfer Musiktage
Am Sonntag, 22. September, starten die Walldorfer Musiktage mit einem Talk im JUMP. Bis zum Abschluss am Sonntag, 13. Oktober, wird es Konzerte im Rathaus, in der Laurentiuskapelle und in der Astoria-Halle geben. Initiator und künstlerischer Leiter des Musikfestivals ist der städtische Musikbeauftragte Dr. Timo Jouko Herrmann, der im Interview erklärt, warum die 15. Musiktage ganz im Zeichen des 300. Geburtstages von Kurfürst Carl Theodor stehen.
Die Walldorfer Musiktage gehen in diesem Jahr unter dem Motto „Arkadien in der Kurpfalz“ über die Bühne. Was hat es damit auf sich?
Dr. Timo Jouko Herrmann: Der Impuls war, das zum 300. Geburtstag des Mannheimer Kurfürsten Carl Theodor zu machen, der für die Entwicklung der Region, die durch den Erbfolgekrieg in weiten Teilen entvölkert war, unglaublich wichtig war.
Welche Rolle spielte Carl Theodor für die Kunst und insbesondere die Musik in der Region?
Herrmann: Er war vielseitig interessiert und hat Musik, Theater und Tanz gefördert, auch um sein Reich wieder attraktiv zu machen. Ein wichtiger Aspekt für uns ist, dass er ein ganz wichtiger Mäzen für die Musik war. Er hat es geschafft, während seine Regentschaft eines der besten Orchester der damaligen Zeit zu schaffen. Er hat dafür herausragende Künstler aus Böhmen, Wien und Italien engagiert. Aus heutiger Sicht wurde mit ihnen ein Experimentallabor aufgemacht, mit dem man ganz viele Neuerungen umgesetzt hat. Der Innovationsgeist hat sich unter anderem im Orchester, im Ballett und in der Oper bemerkbar gemacht. Das ist der Aspekt, der bei den Musiktagen in den verschiedenen Veranstaltungen herausgearbeitet werden soll. Aber auch, wie sich die Musik nach dem Umzug Carl Theodors nach München hier weiterentwickelt und in Europa verbreitet hat. Mozart hat beispielsweise einige der Neuerungen während seiner Zeit in Mannheim gelernt und studiert und in seinen eigenen Stil integriert.
Mit der ersten Veranstaltung wurde mit einem Talk im JUMP ein eher ungewöhnliches Format gewählt. Was erwartet die Besucher?
Herrmann: Wir haben festgestellt, dass Formate, in denen etwas erklärt wird zur Musik, sehr gut ankommen. Die Idee war deshalb, vor dem ersten Konzert mit dem Musikwissenschaftler Marcus Imbsweiler eine Veranstaltung zu machen, in der wir ein bisschen in die Materie einführen. Aber eben nicht als wissenschaftlicher Vortrag, sondern in einem sehr lockeren Format. Es soll ganz bewusst niederschwellig sein. Da kann jeder kommen. Man kann Fragen stellen und wir haben Musikbeispiele, anhand derer man das Erklärte auch auditiv nacherleben kann. Wir sind jetzt das erste Mal im Rahmen der Musiktage im JUMP und natürlich ist damit auch die Hoffnung verbunden, dass jüngere Gäste kommen. Das JUMP bietet eine lockere Atmosphäre für die Veranstaltung, die erst einmal die Tür für das Programm öffnen soll.
Das erste Konzert findet traditionell wieder im Rathaus statt. Was zeichnet den Veranstaltungsort aus?
Herrmann: Das Rathaus haben wir schon ganz am Anfang der Musiktage 2009 als Spielort entdeckt, als wir eine Oper aufgeführt haben. Da haben wir schnell festgestellt, dass das Atrium sehr gute Klangqualitäten hat. Es war auch vom Publikum her sofort eine super Resonanz. Die Idee, das Rathaus als Verwaltungsgebäude für einen Abend in einen Konzertsaal zu verwandeln, ist immer sehr positiv aufgenommen worden. Und wir haben eine Größe, die das Ganze in einem intimen Rahmen lässt – es ist mehr Kontakt zwischen Künstlern und Publikum, das finde ich schön.
Weitere Spielorte sind Laurentiuskapelle und Astoria-Halle. Was erwartet die Besucher an diesen Abenden?
Herrmann: In der Laurentiuskapelle, das ist ja unser Stammspielort für kleinere Konzerte, haben wir zwei Veranstaltungen: Einmal am Freitag, 27. September, da haben wir mit Anders Muskens einen kanadischen Spezialisten für historische Tasteninstrumente, der mit „Mozart vs. Vogler – Rivalen in Mannheim“ ein Programm mitbringt, das einen sehr interessanten Hintergrund hat. Mozart wollte ja immer eine Anstellung in Mannheim haben, es hat aber nie geklappt. Georg Joseph Vogler hatte genau diesen Posten und kam in der Folge in Briefen von Mozart nicht gut weg. Man hat ihn in der Nachbetrachtung sehr lange weder beachtet noch ernst genommen als Komponisten. Anders Muskens hat sich viel mit ihm beschäftig und will bei diesem Konzert zeigen, dass Vogler ein total innovativer und faszinierender Komponist war, der sich zum Beispiel ganz früh mit der Musik anderer Völker auseinandergesetzt und versucht hat, sie mittels eigener Stücke für die Mitteleuropäer zugänglich zu machen. Das Besondere an dem Konzert wird auch sein, dass Anders Muskens auf einem originalen Hammerflügel von Johann Andreas Stein aus der Zeit Carl Theodors spielen wird.
Das zweite Konzert in der Laurentiuskapelle am Donnerstag, 10. Oktober, wird das Programm „Blumenlese für Klavierliebhaber“ sein. Das ist der Titel einer Zeitschrift, die in den 1780er Jahren in Speyer erschienen ist. Darin wurden Lieder und Klavierstücke aktueller Komponisten veröffentlicht. Das Salomon Duo wird Auszüge aus dieser Sammlung spielen. Das Programm wird zudem zeigen, dass auch nach dem Umzug des kurfürstlichen Hofs von Mannheim nach München das musikalische Leben hier in der Region nicht zum Erliegen gekommen ist, sondern der innovative Geist immer noch da war. Annette Wieland und Katharina O. Brand werden zeigen, was damals für eine riesige Vielfalt präsentiert wurde: von der Sonate über Lieder bis hin zu Fantasien – da ist alles mit dabei.
Der Abschluss wird am Sonntag, 13. Oktober, in der Astoria-Halle sein. Da brauchen wir auch ein bisschen Platz, weil er mit Orchester und vier Solisten stattfinden wird. Das Konzert steht unter dem Titel „Mit Carl Theodor in der Oper“ und wird sich mit den Neuerungen beschäftigen, die unter seiner Regentschaft im Musiktheater entstanden sind. Wir fangen Mitte der 1760er an und gehen bis zur ersten Zeit des Hofs in München. Carl Theodor hat immer Aufträge an die innovativsten Komponisten seiner Zeit vergeben. So ist zum Beispiel Mozarts Oper „Idomeneo“ entstanden, aus der Auszüge an dem Abend zu hören sein werden. Aber auch von Salieris Werk „Semiramis“, das ebenfalls von Carl Theodor bestellt wurde. Das Besondere daran ist, dass diese Musik seit der Uraufführung 1782 nicht mehr gespielt wurde. Durch das Programm zieht sich, dass man immer wieder die Einflüsse der Mannheimer Schule erkennen wird. Dadurch bekommt man einen tollen Überblick über dieses goldene Zeitalter „Arkadien in der Kurpfalz“, in dem die Kultur auf einem höchsten Level war.
Die Musiktage gibt es seit 15 Jahren. Was bedeutet das kleine Jubiläum für Sie persönlich und wie schauen Sie auf die Entwicklung der Konzertreihe?
Herrmann: Was mich sehr freut: Von Anfang an war das Publikum in Walldorf neugierig und ist es auch geblieben. Die Grundüberlegung bei dem Festival war ja: Wie können wir unser Kulturleben bereichern und uns gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal schaffen? Wir sind eine kleine Kommune und man muss seine Nische finden. Wir haben immer ein sehr dezidiertes Thema für die Musiktage: sei es ein Komponist oder sei es eine Epoche. Das Besondere ist, dass wir Werke in Diskussion stellen, die man sonst nirgends zu hören kriegt. Wir haben viele Erstaufführungen gehabt, auch mit dem Erfolg, dass diese Stücke dann plötzlich wieder ins Repertoire gekommen sind oder anderswo nachgespielt wurden. Was auch sehr schön ist, dass die Wahrnehmung des Festivals längst nicht mehr nur regional ist, sondern überregional oder sogar international. Es ist umso schöner, wenn man merkt, dass das auf einen fruchtbaren Boden fällt.
Wie weit sind denn die Planungen für das kommende Jahr?
Herrmann: Die Termine sind schon fix und ich bin gerade in der Abstimmung mit verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern. Im Mittelpunkt wird im nächsten Jahr Antonio Salieri stehen, weil es ein doppeltes Jubiläum geben wird: seinen 275. Geburtstag und seinen 200. Todestag. Das Spannende wird sein, dass wir eines der wenigen Festivals sind, die in diesem Jubiläumsjahr tatsächlich wieder viele seiner Werke zur Aufführung bringen. Selbst in Italien wird nicht viel dazu laufen. Eventuell können wir im Rahmen der nächsten Musiktage auch einen Film über Salieri aufführen, an dessen Entstehung ich aktuell mitwirke. Wir werden auch auf die berühmte Schülerschaft Salieris eingehen und Werke von Schubert, Beethoven und Liszt aufführen. Es wird also wieder sehr spannend und vielfältig. Los geht es am 21. September 2025.