16.10.2024, Startseite

Blumenlese für Klavierliebhaber

Das „Salomon Duo“ bestehend aus Annette Wieland (Mezzosopran) und Katharina O. Brand (Hammerflügel) hatte ein erlesenes und gut durchdachtes Programm unter dem Titel „Blumenlese für Klavierliebhaber“ im Gepäck.
Foto: Helmut Pfeifer

Wunderbarer Liederabend in der Laurentiuskapelle

Einen wunderbaren und inspirierenden Liederabend durfte das zahlreich erschienene Publikum bei der vierten Veranstaltung der Walldorfer Musiktage in der Laurentiuskapelle erleben. Das „Salomon Duo“, bestehend aus Annette Wieland (Mezzosopran) und Katharina O. Brand (Hammerflügel), hatte ein erlesenes und gut durchdachtes Programm unter dem Titel „Blumenlese für Klavierliebhaber“ im Gepäck.

Im Mittelpunkt standen Werke verschiedener Komponisten, die ihre Lieder und Klavierkompositionen in der gleichnamigen, in Speyer erschienenen musikalischen Wochenschrift zwischen 1782 und 1787 veröffentlicht hatten. Herausgegeben wurde diese Sammlung musikalischer Preziosen von Heinrich Philipp Bossler. Sie ist ein wichtiges Zeugnis für die - auch nach dem 1777 erfolgten Umzug des Kurfürstlichen Hofes von Mannheim nach München -  immer noch bedeutende und lebendige Musikkultur der Kurpfalz. Wichtige Vertreter der Mannheimer Schule hatten hier Werke für den Hausgebrauch veröffentlicht. Leider war Timo Jouko Herrmann, Initiator und künstlerischer Leiter der Musiktage sowie Musikbeauftragter der Stadt Walldorf, erkrankt und so übernahm seine gewohnt eloquente musikwissenschaftliche Führung durch das Programm Pianistin Brand, die das Publikum mit vielen interessanten Informationen zu Komponisten, Werken und Epoche versorgte. Die Zuhörer wurden sogleich in einen bürgerlichen Musiksalon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts versetzt.

Die intime und heimelige Atmosphäre der Laurentiuskapelle tat ihr Übriges dazu. Diese Hausmusik-Konzerte waren die Keimzelle einer ganz neuen Kultur. Was im „Großen“ in der Mannheimer Hofkapelle an Innovativem aufkam, versuchten die Komponisten auch im „Kleinen“ in der Hausmusik umzusetzen. Die Abonnenten der „Blumenlese“ konnten sich über das Neuste vom Neuen, über ganz aktuelle zeitgenössische Musik freuen. Für das Publikum in der Laurentiuskapelle waren sicher auch die meisten der vorgestellten Werke neu und echte Entdeckungen. Kaum einer hatte von Komponisten wie Christoph Rheineck, Johann Anton Sulzer, Antonio Rosetti, Joseph Martin Kraus, Georg Joseph Vogler, Joseph Aloys Schmittbaur oder Johann Friedrich Hugo von Dalberg gehört. Dazwischen gab es aber auch Werke bekannter Komponisten wie Ludwig van Beethoven, Franz Schubert und Wolfgang Amadeus Mozart zu hören. Sie hatten entweder einen Bezug zu Mannheim und der Region - Bossler war auch Beethovens Verleger und Mozart weilte vier Mal in Mannheim und bewarb sich vergeblich um eine Stelle am dortigen Hof - oder es wurden wie bei Schubert zwei gleichnamige Werke gegenübergestellt. Das Gedicht „Die Forelle“ von Christian Friedrich Daniel Schubart hatten sowohl Schubert wie Rheineck vertont. Werke Beethovens zogen sich wie ein roter Faden durch das in verschiedene Themen gegliederte Programm. Nach dem Kind und dem Mädchen standen humorvolle Kompositionen über Tiere im Mittelpunkt, während sich der letzte Programmpunkt der Liebe und dem Liebesleid widmete. Gleich die ersten wunderbar weichen, intimen und transparenten Klänge des wunderschönen grazilen Hammerflügels verzauberten. Der historische Nachbau eines Hammerflügels von Anton Walter aus dem Jahr 1795 wurde von Klavier- und Cembalobauer Michael Walker aus Neckarsteinach angefertigt. Im Gegensatz zum Cembalo konnte man mit dem Hammerklavier- oder Flügel den Ton mithilfe des Anschlags dynamisch gestalten, was ganz neue Ausdrucksweisen ermöglichte und die Musik der Stimme anzupassen vermochte. Der feine Klang des Hammerflügels und die klangschöne Stimme der Mezzosopranistin harmonierten bestens zusammen. Mit Innigkeit und spürbarer Freude am gemeinsamen Musizieren wurden die Lieder über ein melancholisches Mädchen (Rheineck), einen Säugling (Beethoven), ein Wiegenlied (Sulzer) und das Lied „An ein kleines Mädchen“ (Rosetti) dem Publikum dargeboten. Beide Künstlerinnen gingen völlig in der Musik auf und gestalteten die Lieder sanft und zärtlich. Pianistin Brand erwies sich als ideale und einfühlsame Partnerin der Sängerin und bereitete schon mit wenigen Klängen die emotionale Atmosphäre eines Liedes vor. Die durchaus anspruchsvollen Klavierbegleitungen meisterte sie stets souverän, ebenso wie die solistischen Werke. Mit ausdruckstarker Mimik, schönem Timbre, guter Artikulation und großer Bühnenpräsenz wusste Wieland zu punkten. Herrlich glitzerte und sprudelte die Klavierbegleitung in Schuberts „Forelle“.  Schelmisch ließ die Mezzosopranistin die Forelle wie einen „Pfeil vorüberschießen“.

Auch Rheinecks Vertonung des Gedichts von Christian Friedrich Daniel Schubart gefiel und entlockte dem Publikum ein Schmunzeln. Die meisten Lieder waren auf Deutsch, aber Wieland sang auch zwei Lieder von Mozart auf Französisch und ein Rondo von Kraus auf Italienisch. Zuvor trug die Sängerin die Texte gut artikuliert in deutscher Übersetzung vor. Heiterkeit riefen die beiden humorvollen Vertonungen von Schubarts Gedicht „Die Henne“ hervor. Auch Beethovens Flohlied „Es war einmal ein König“ aus Goethes Faust brachte die Zuhörer zum Schmunzeln und Lachen. Der König hatte einen Floh, den er wie seinen eigenen Sohn liebte, ihn in Samt und Seide kleiden ließ und ihn zum Minister ernannte. Natürlich brachte dieser, zum Leidwesen der Königin und der Zofen, seine Verwandten mit an den Hof. In rasantem Accelerando stach er dann am Ende zu. Erstaunlich wie schnell Wieland den Text singen konnte und man ihn dabei immer noch ausgezeichnet verstand.

Eine ganz andere, melancholische Stimmung verbreiteten die Liebeslieder, wobei es hauptsächlich um Liebesleid ging. In Voglers „Beim Mondschein“ beklagte sich eine junge Frau, dass ihr Albert sie nicht mehr liebe und sie aus seinem Herzen verbannt habe. Eine tiefe Klavierbegleitung und ein sehr tiefer Schlusston in der Gesangsstimme verdeutlichten den tiefen Schmerz. Mit warmer Stimme ließ die Sängerin die Verzweifelte klagen. Auch in Schmittbaurs „Die Klage“ und Beethovens „Die laute Klage“ ging es um Verlust und Leid.  Dazwischen fügte sich wunderbar das melancholische „Präludium fugando“ Schmittbaurs, einfühlsam von Brand gespielt, ein. Mit zwei Vertonungen von Goethes Gedicht „Neue Liebe, neues Leben“ von Dalberg und Beethoven endete der wunderbare Liederabend. Das Publikum zeigte sich begeistert und spendete reichlich Applaus. Als Zugabe gab es ein Medley vom „Heidenröslein“, bei dem jede Strophe von einem anderen Komponisten (Stahlberg, Werner, Schubert) vertont wurde, mit auf den Nachhauseweg.