13.02.2023, Startseite

Allgemeinverfügung gilt wieder ab 1. April

Landratsamt informiert über Maßnahmen zum Schutz der Haubenlerche

Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis informiert mit einer Pressemitteilung, dass ab dem 1. April wieder die Allgemeinverfügung zum Schutz der Haubenlerche im Baugebiet Walldorf-Süd gilt. Um die vom Aussterben bedrohte Vogelart Haubenlerche zu schützen, hat die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis am 14. Mai 2022 auf einem Teil der Gemarkung der Stadt Walldorf eine Allgemeinverfügung erlassen, die ab dem 1. April 2023 wieder gültig ist. Demnach ist der Freigang von Katzen im südlichen Teil der Stadt Walldorf vom 1. April 2023 bis einschließlich 31. August 2023 und danach – bis zum Jahr 2025 – jeweils im Zeitraum vom 1. April bis einschließlich 31. August durch deren Halterinnen und Halter zu unterbinden. Die Allgemeinverfügung sowie die detaillierte Beschreibung des Gefahren- und Geltungsbereichs sind auf der Homepage des Kreises unter www.rhein-neckar-kreis.de/bekanntmachungen abrufbar.

Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder (Regierungspräsidium Karlsruhe), Landrat Stefan Dallinger (Rhein-Neckar-Kreis) und Bürgermeister Matthias Renschler (Stadt Walldorf) werden bei einem Pressegespräch Mitte März erneut über die Ziele und die Maßnahmen der Allgemeinverfügung informieren und anschließend für Fragen der Medien zur Verfügung stehen.

Bürgermeister Matthias Renschler fasst zunächst den Sachverhalt seit dem In-Kraft-Treten der Allgemeinverfügung zum Schutz der Haubenlerche zusammen: „Seit der Erschließung im Jahre 2013 ist in dem mit Wohnbauflächen ausgewiesenen Baugebiet Walldorf-Süd die Haubenlerche nachgewiesen. Es handelt sich hierbei um eine streng geschützte und mittlerweile in Baden-Württemberg akut vom Aussterben bedrohte Art. Eine Bebauung des Gebiets war artenschutzrechtlich daher nur unter der Voraussetzung zulässig, dass es der Stadt Walldorf gelingt, die in dem Baugebiet vorhandenen Brutreviere der Haubenlerche trotz Bebauung zu erhalten und den Schwerpunkt des Brutgebiets aus dem Baugebiet heraus in angrenzende landwirtschaftlich genutzte Bereiche zu verlagern.“

Die Naturschutzbehörden waren zu dem damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass durch geeignete Schutzmaßnahmen die Haubenlerchenpopulation räumlich verlagert werden könnte. Unter anderem wurden Flächen als mögliche Ersatzhabitate eingerichtet, und ein von der Stadt beauftragtes Fachbüro begleitete die Umsetzung der Maßnahmen. Leider ging der Brutbestand trotzdem seit 2015 von fünf auf bis zum vergangenen Jahr drei, zeitweise auch nur zwei Brutpaare zurück. Daher sind weiterführende Maßnahmen zur Erhaltung und Stärkung der Haubenlerchenpopulation notwendig, zu der flankierend auch die von der unteren Naturschutzbehörde erlassene Allgemeinverfügung vom 14. Mai 2022 gehört.

Landrat Stefan Dallinger informiert: „Wir konnten im vergangenen Jahr beobachten, dass die mit der Allgemeinverfügung einhergehenden Maßnahmen die erhoffte Wirkung zeigten. In der relevanten Zeit in 2022 war das Gebiet weitgehend, wenn auch nicht hundertprozentig katzenfrei. Dennoch waren die Gefahren für die Haubenlerchen dadurch signifikant reduziert. Im letzten Jahr wurden acht Haubenlerchen flügge. Im Vergleich zu den Vorjahren haben im Ergebnis die meisten dieser Jungvögel die kritischste Phase erfreulicherweise unversehrt überstanden. Abschließend kann der Schutz der Jungvögel aber erst dann als erfolgreich angesehen werden, wenn sich auf dieser Basis in den kommenden Jahren mehr Brutpaare bilden als bisher. Dies bleibt noch abzuwarten.“

„Die Haubenlerche ist nach den aktuellen Roten Listen in Baden-Württemberg und in Deutschland in die höchste Gefährdungskategorie ´Rote Liste 1` – vom Aussterben/Erlöschen bedroht – eingestuft. In Baden-Württemberg konzentrieren sich die Brutvorkommen ausschließlich auf den Regierungsbezirk Karlsruhe und hier auf den Bereich zwischen Karlsruhe und Mannheim“, erläutert Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder. Der Brutbestand war über viele Jahre im Rückgang begriffen. Landesweit liege der aktuelle Brutbestand der Haubenlerche (Stand: 2022) bei 74 Revieren, deren Schwerpunktverbreitung in den Sandgebieten der oberrheinischen Tiefebene zwischen Waghäusel, Walldorf und Ketsch liege.

Im Bereich Walldorf-Süd gab es im letzten Jahr noch drei, zeitweise nur zwei Brutpaare. Für diese lokale Population besteht daher ein sehr hohes Aussterberisiko. In Anbetracht der aktuellen Brutverbreitung und Bestandssituation befindet sich die Art nicht nur auf lokaler Ebene in einem ungünstig-schlechten Erhaltungszustand. Aufgrund der Seltenheit der Art und des schlechten Erhaltungszustandes im Land ist bereits bei Verlust eines Reviers oder eines Tieres von einer weiteren Verschlechterung des Erhaltungszustandes auszugehen. Unter anderem kommt es daher für den Fortbestand der Art auf das Überleben jedes einzelnen Jungvogels an.

„Seit einigen Jahren werden in Walldorf verstärkt Maßnahmen zum Schutz der Haubenlerche während der Fortpflanzungszeit durchgeführt und fortlaufend verbessert. Grundlage sind die intensive Beobachtung, dazu die Flächenberuhigung, erforderlichenfalls bei Bruten auf Baustellen auch vorübergehender Baustopp, Einzäunung der Neststandorte zur Aufzuchtzeit und einiges mehr“, so Bürgermeister Matthias Renschler. Er sagt weiter: „Trotz dieser Maßnahmen konnte bislang die lokale Population in Walldorf nicht ausreichend geschützt werden. So ist es in den vergangenen Jahren immer wieder vorgekommen, dass von den eigentlich erfolgreichen Bruten der Haubenlerche mit jeweils drei bis vier Eiern beziehungsweise Nestlingen – aus verschiedenen Gründen – letztendlich nur sehr wenige Jungvögel überlebt haben.“

Neben Freigängerkatzen liegt dies unter anderem auch an Elstern und Rabenkrähen sowie Raubsäugern wie Füchsen und Mardern. Auch diesbezüglich wurden bereits im vergangen Jahr – und so ist es auch in diesem Jahr vorgesehen – verschiedene zum Teil sehr aufwändige Maßnahmen durchgeführt, wie zum Beispiel das Aufstellen von Lebendfallen, aber auch die Bejagung beziehungsweise der Abschuss von Elstern und Füchsen. Die Freigängerkatzen sind also im Hinblick auf die Problematik der Haubenlerche einer von mehreren Faktoren, aber gerade in Walldorf aufgrund der Siedlungsnähe kein unwesentlicher Faktor.

Das von der Stadt Walldorf beauftragte Fachbüro hatte die Anwohner in den Jahren 2020 und 2021 in Informationsschreiben gebeten, ihre Katzen während der Brut- und Aufzuchtzeit der Haubenlerchen im Haus zu halten. Ebenso hatten das Fachbüro und das Ordnungsamt der Stadt ihnen bekannte Katzenhalter auch direkt angesprochen. Dennoch sind im Jahr 2021 einige Katzen weiterhin im Brutgebiet gesichtet worden. Das Fachbüro hatte daher das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis um Unterstützung gebeten. Nach Prüfung alternativer Mittel, wie zum Beispiel Methoden zur Katzenvergrämung, hat dieses dann gegenüber drei Katzenhaltern Einzelverfügungen erlassen, dass diese den Freigang ihrer Katzen zu unterbinden haben. Leider war im Ergebnis diese Maßnahme nicht ausreichend, daher wurde von der Unteren Naturschutzbehörde im Jahr 2022 eine Allgemeinverfügung für alle Katzenhalterinnen und -halter im Umfeld der Vorkommen der Haubenlerchen erlassen. Im Zusammenwirken mit der Höheren Naturschutzbehörde im Regierungspräsidium Karlsruhe hat sie die betroffenen Rechtsgüter und widerstreitenden Belange abgewogen. Die zuständigen Naturschutzbehörden sind der Auffassung, dass das Unterbinden des Freigangs von Katzen im Gefahrenbereich für die Dauer der Zeit, in der sie zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos für Haubenlerchen führen würden, verhältnismäßig ist, weil die Haubenlerche vom Aussterben bedroht ist, Katzen eine besondere Gefährdung darstellen und die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist. Befreiungen sind möglich, wenn im Einzelfall Belange des Schutzes der Haubenlerche nachweislich nicht entgegenstehen.

Neben der reinen Wohnungshaltung haben Katzenhalterinnen und Katzenhalter folgende Optionen:

  • Befreiung auf der Grundlage eines nachgewiesenen GPS-Trackings
  • katzensichere Einzäunung des Gartens
  • Freigang an der Leine

Tracking:
Die Allgemeinverfügung sieht vor, dass die Untere Naturschutzbehörde auf Antrag im Einzelfall Katzenhalterinnen und Katzenhalter von den Anordnungen zur Unterbindung des Freigangs befreien kann, wenn diese mittels im Zeitraum September bis März aufgezeichnetem GPS-Tracking nachweisen können, dass ihre Katze sich nicht im Gefahrenbereich aufhält, und die Halterinnen und Halter sich zur Fortführung des Trackings jeweils im Zeitraum von Anfang März bis Ende August bis zum Jahr 2025 verpflichten. Der Freigang der Katze ist sofort zu unterbinden, wenn sich insbesondere im Zuge des GPS-Trackings erweisen sollte, dass die Katze sich doch im Gefahrenbereich der Haubenlerche aufhält. Das GPS-Tracking ist vor Beginn der Durchführung mit der Unteren Naturschutzbehörde abzustimmen. Wer in diesem Jahr noch von dieser Möglichkeit Gebrauch machen möchte, sollte sich unverzüglich mit der Unteren Naturschutzbehörde in Verbindung setzen (Kontakt: Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis, Amt für Landwirtschaft und Naturschutz, Untere Naturschutzbehörde, Muthstraße 4, 74889 Sinsheim, E-Mail Landwirtschaft-Naturschutz@Rhein-Neckar-Kreis.de).

Einzäunung:
Eine weitere Möglichkeit besteht in der katzensicheren Umzäunung des eigenen Gartens beziehungsweise dem Bau eines Katzengeheges. Hier gibt es mittlerweile mehrere Anbieter auf dem Markt. Diese Systeme wurden in erster Linie entwickelt, um Katzen vor Umweltgefahren, vor allem dem Straßenverkehr, aber auch um teure Rassekatzen vor Diebstahl und vor Kämpfen mit Artgenossen zu schützen. Diese Systeme vereinen daher den Schutz für Katze und Haubenlerche gleichermaßen. Nähere Informationen hierzu sind im Zoofachhandel, bei kompetenten Landschaftsgärtnereibetrieben und im Internet verfügbar.

Freigang an der Leine:
Über ausbruchsichere Katzengeschirre, geeignete Leinen und eine Gewöhnung der Katze an den Freigang mit Leine informiert der Zoofachhandel.

Landrat Stefan Dallinger: „Auch wenn die Allgemeinverfügung verständlicherweise bei Katzenhalterinnen und -haltern nicht auf ein positives Echo stößt, zeigt sich, dass sie ein wirksames Instrument ist, die Rahmenbedingungen für einen stärkeren Reproduktionserfolg der Haubenlerche zu verbessern. Damit ist sie ein wichtiger Beitrag zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Art in Walldorf. Unser Ziel ist es, im Laufe der Zeit mit allen Beteiligten einen lebbaren Konsens zu erreichen.“

Weitere Einzelheiten können der Allgemeinverfügung entnommen werden.

Informationen zum Artenschutzprogramm Haubenlerche und Maßnahmen:
Die Höhere Naturschutzbehörde hat die Aufgabe, die letzten Vorkommen dieser akut vom Aussterben bedrohten und streng geschützten Art der Haubenlerche in Baden-Württemberg zu sichern und wieder zu verbessern. Hierzu werden Maßnahmen über das Artenschutzprogramm durchgeführt. Wo Eingriffe durch Baugebiete erfolgen, ist nach dem Verursacherprinzip allerdings der Eingreifer, das heißt, regelmäßig die veranlassende Kommune in der Pflicht, den Bestand zu erhalten und den erforderlichen Ausgleich herzustellen. Die ursprünglich in Baden-Württemberg weit verbreitete Art ist extrem stark zurückgegangen und kommt aktuell fast nur noch in der nordbadischen Oberrheinebene vor.

Mit einer neu entwickelten Methodik im Rahmen des Artenschutzprogramms Haubenlerche konnte nun eine Trendwende erreicht werden: Der Tiefpunkt der bisher rückläufigen Entwicklung war 2019 mit knapp 40 Revieren. Aufgrund der Schutzmaßnahmen nimmt der Bestand wieder zu und lag 2022 bei 74 Revierpaaren. (Zum Vergleich: Bei einer Brutbestandserfassung 1987/88 lag die Anzahl der Reviere noch bei 670). Ziel ist es, den Erhaltungszustand wieder aus dem überlebenskritischen Bereich herauszuführen, wieder zusätzlichen Lebensraum für die Haubenlerche zu schaffen und die lokalen Inselpopulationen zu vernetzen. Dabei spielt Walldorf als Trittstein für die Wiederbesiedlung schon verloren gegangener Revierstandorte in Nachbargemeinden eine wichtige Rolle.

Die erfolgreiche neue Methodik aus dem Artenschutzprogramm Haubenlerche wird daher auch in Walldorf angewandt. Diese besteht im Wesentlichen aus einem intensiven Brutmonitoring und konsequentem Nestschutz. Die Haubenlerche brütet gleich zwei- bis dreimal in der Saison und legt dabei je drei bis fünf Eier. Sie erreicht auch ein vergleichsweise hohes Alter von zehn bis zwölf Jahren. Dies sind gute Voraussetzungen, um ausreichend viele Jungvögel hochzubringen, die in der Nachbarschaft – und vor allem auf den vorbereiteten Ausgleichsflächen – ein eigenes Brutrevier einrichten könnten. Denn die Verlagerung des Schwerpunktes einer Population kann nur über ausreichend viele Jungvögel gelingen. Die Altvögel hingegen sind extrem standorttreu und geben ihr einmal ausgewähltes Brutrevier fast nie auf.

Der Bruterfolg wird allerdings häufig durch Prädatoren zunichtegemacht. Dies sind Rabenvögel wie zum Beispiel Elstern oder andere Tiere wie zum Beispiel Marder oder auch Hauskatzen. Hier greift der aktive Nestschutz über Zäunungen, die Schaffung von Strukturen zum Versteck sowie, wo möglich, über kleine Volieren im Bereich der Vogelnester, in die nur kleine Singvögel hineinfliegen können. Ergänzt wird dies durch Maßnahmen gegen die Prädation durch Rabenvögel. Einwirkungen von Fressfeinden können somit während der Brut- und Nestlingsphase ein Stück weit kontrolliert und minimiert werden. Der Schutz greift allerdings dann nicht mehr, wenn die Jungvögel die Zäunung um den Nestbereich verlassen, aber noch nicht vollständig flugfähig sind (neunter bis 20. Tag nach dem Schlüpfen) und somit leicht Opfer jagender Freigängerkatzen werden können.